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Buchdoktor

Posted on 30.10.2023

Heikki Leskinen war ein legendärer Bärenjäger, der mit Frau und 7 Töchtern einen abgelegenen Kleinbauernhof im Norden Finnlands bewirtschaftete. Während Heikki unterwegs war, versorgte seine Frau Louhi den Hof, brachte ihre Kinder mit Hilfe der Nachbarin zur Welt und wünschte sich sehnlichst, endlich einen Jungen zu gebären. Als Heikki sich in die Vorstellung steigert, auf der Flucht vor dem System zu sein (das Steuern fordert und Schulpflicht predigt), baut er seine Erstgeborene als Nachfolgerin auf. Johanna soll Fleisch auf den Tisch bringen können, mit den restlichen Kleinigkeiten hält der Held sich nicht auf. Weil die Töchter nicht lesen können, weder Uhr noch Handy kennen, werden sie - fern der Welt - allein mit Heikkis paranoiden Weisheiten indoktriniert. Es kommt, wie es kommen muss, Heikki stirbt im Gemetzel mit einem Bären; Louhi bleibt mit Töchtern zwischen 12 und 20 Jahren zurück, denen sie nicht über den Weg traut. Die Mädels fluchen, saufen, rauchen und prügeln sich halbtot. Allein Simone steht der Mutter nahe, verbunden im christlichen Glauben. Louhi wünscht sich, dass wenigstens Simone Lesen lernt. Nach dem Tod der Mutter sieht sich Johanna vor einem Berg an Aufgaben. Jagen, Holz machen, Reparaturen, Feldarbeit – und rechtzeitig Felle für den Markttag vorbereitet haben, mit deren Verkauf sie z. B. Treibstoff und Munition finanzieren. Da Heikki sich hauptsächlich für Jagd, Fischfang und Schnaps interessierte, war sein Lehrplan lückenhaft. Johanna muss auf die harte Tour lernen, dass sie sich nicht leisten kann, eine der jüngeren, körperlich schwächeren Schwestern zu vernachlässigen. Unbemerkt bildet sich in ihrem Rudel außer Simones Religiosität weiterer Widerstand: Aune, die Jüngste, ist entschlossen, Lesen zu lernen, um Autorin zu werden, und mit Laura wächst eine begabte Künstlerin heran, die sich nicht mehr lange von Johanna drangsalieren lassen wird. „Die Töchter des Bärenjägers“ zeichnet zunächst einen gewalttätigen Naturburschen, der Frau und Töchter systematisch von anderen Menschen fernhält. Johanna saugt das System Heikki auf und reproduziert es unreflektiert. Fehlte nur, dass sie als „Johann“ den Clanchef gegeben hätte. Doch die Farbe der Inszenierung blättert, als die Töchter in kleinen Dosen mehr über ihre Mutter erfahren und erster Kontakt zur Außenwelt entsteht. Fazit Wie die Geschichte der 7 Schwestern in Jordahls Buch gelangt sein könnte, lässt eine raffinierte Rahmenhandlung ahnen. Sie zwingt Leser:innen des Romans, ihr Urteil über die ungebärdigen Töchter noch einmal auf den Prüfstand zu stellen. - Ein verstörender, brutaler, dreckiger Roman, der mich zum Noch-einmal-Lesen anstiftet.

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