Profilbild von Gabriele

Gabriele

Posted on 29.10.2023

Erschreckend, wie schnell eine gut aussehende Frau zur Hure abgestempelt wird. Familie Monika Helfers Großmutter Maria war eine schöne Frau, die sehr auf ihr Äußeres achtete. Viele Männer sahen sich nach ihr um, aber sie liebte nur ihren Mann Josef. Das Ehepaar hatte vier Kinder, als er in den Ersten Weltkrieg ziehen musste. Er ließ die Familie am Ende des Tales zurück, wo sie ein armseliges Dasein fristeten. Manchmal kam der Bürgermeister vorbei und brachte Lebensmittel, nahm sie auch einmal zum Viehmarkt mit. Dort lernte sie einen Mann kennen, der sich sehr um sie bemühte. Zweimal bekam Josef Heimaturlaub, während andere Männer aus dem Dorf dem Krieg zum Opfer fielen. Als Maria mit Grete, der Mutter der Autorin, schwanger wurde, führte das zu viel Gerede im Dorf. Die Autorin erzählt fast ohne Punkt und Komma, macht Einschübe, wer was zu einer Situation sagte, stellt Vergleiche zu ihrem eigenen Leben an und landet doch immer wieder bei der Geschichte ihrer Großmutter. Auch dass die Mutter vom Vater nie anerkannt wurde, erwähnt sie. Trotz des distanzierten Erzählstils fiel es mir schwer, das Buch aus der Hand zu legen. Monika Helfer weiß ihre Worte zu setzen und erstellt mit diesem Buch ein Denkmal für ihre Vorfahren. Geboren 1947 im Bregenzer Wald lebt sie als Schriftstellerin mit ihrer Familie in Vorarlberg. Ich wurde durch ihr Buch „Vati“, in dem sie das Leben ihres Vaters beschreibt, auf sie aufmerksam. „Die Bagage“ ist der Vorgänger davon. Beide Bücher legen Zeugnis von einem Leben ab, in dem der Krieg Menschen verändert, sie aber trotz Armut und Krankheit nicht so schnell aufgeben. Besonders gut gefällt mir in beiden Bücher der Zusammenhalt der großen Familien.

zurück nach oben