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Yvonne Franke

Posted on 24.10.2023

Die Schauspielerin, Feministin, vielfach Kultur-bewegende Marie Theres Relin und der legendäre Dramatiker und Schauspieler Franz Xaver Kroetz waren lange ein Ehepaar, haben gemeinsame Kinder und haben es nach Relins Befreiungsschlag, der zur Scheidung führte, seit Jahren nie mehr als ein paar Minuten im selben Raum ausgehalten. Bis nun Kroetz um die Erfüllung eines langgehegten Traums bat. Eine Reise im auf Teneriffa, in einem alten Leben, zurückgelassenen Autos zurück nach München. Gemeinsam mit der Ex. Nun ja, er hätte die Kinder gebeten, aber die hatten nun mal keine Zeit. Der in diesen Wochen entstandene Text mit dem Titel "Szenen keiner Ehe" ist das Ergebnis eines emotionalen Wagnisses. Ein konsequent schonungsloses Protokoll einer Wiederbegegnung. So aufgeladen, dass man unwillkürlich an Marina Abramovic und Ulay denken muss – das Aktionskünstlerpaar, das von entgegengesetzten Seiten die chinesische Mauer beging, um sich am Ende des langen einsamen Weges bei der Begegnung endgültig zu trennen. Relin und Kroetz halten unabhängig voneinander die vielen Wochen des erneuten, ungewohnten Beisammenseins in Tagebuchartigen Einträgen fest, die hier in abwechselnder Reihenfolge zu lesen sind. Seltsamer Weise sind es gerade Kroetz' Texte, die dabei eine antipatriarchale Wirkung entfalten. Seine Bösartigkeiten der Frau gegenüber, deren Gesellschaft, ja deren Liebe, er sich ausdrücklich wünscht, sein Bestehen auf veraltete Verhaltensmuster, zwingen ihn zurück in die Einsamkeit. Das ist tragisch und ärgerlich, besonders da wo es zart und süß wird. Eine klassische Tragödie mit leider noch immer modernen Protagonisten (hier bitte gendern, wer sich traut). Relin hingegen nimmt uns mit in die Ergründung der wechselnden Herausforderungen ihrer Zeit mit dem Mann, von dem sie bereits (den gewünschten) Abstand gewonnen hatte. Bis mitten hinein in fast verdrängte, wieder aufklaffende Traumata. Marie Theres Relin ist eine unprätentiöse, wahrhaftige Schreiberin. Man ist in jedem Moment bei ihr. Was von diesem Text bleiben wird, stammt von ihr.

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