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renee

Posted on 21.10.2023

Rettung durch Imagination Sarah Elena Müller hat mit ihrem Buch „Bild ohne Mädchen“ kein einfaches Buch geschrieben. Denn nicht nur thematisch ist dieses Buch schwer fassbar. Auch in der Schreibart wirkt es sehr kunstvoll, aber auch die Leserschaft fesselnd, trotz dieses schlimmen Themas. Denn die Autorin blickt in ihrem Buch künstlerisch-intensiv, provozierend-zynisch und auch etwas poetisierend auf ein imaginierendes Mädchen und nach und nach eröffnet sich durch die Verarbeitungsweise des Mädchens die Ursache ihres Verhaltens. Kindesmissbrauch. Ein heftiges Thema. Ein triggerndes Thema. Aber dennoch, ein wichtiges Thema. Denn gerade Kinder erleben und verarbeiten dieses Trauma ja anders als Erwachsene, können sich nicht adäquat und für ihre Umwelt immer verstehbar mitteilen, flüchten sich teilweise in Traumwelten, nicht immer verständliche Traumwelten. Eine alternativ lebende Familie zieht in diesem Buch hier von der Stadt aufs Land, versucht dort im idyllischen ländlichen Raum ihr Lebensglück. Das ist etwas, wozu man auf den ersten Blick nichts sagen kann. Dennoch kommt es mir so vor, als würde hier eine Bewertung dieser Aktion im Buch durchschimmern. Ebenso wie auch die Eltern schon etwas in ihrem Handeln beurteilt werden, dieses teilweise provozierend-zynische im Tonfall wirkt für mich so. Doch kann man dies wirklich, oder ist dies nicht etwas zu einfach gedacht. Denn bisher konnte man solche traumatisierenden Vorfälle leider nicht vollkommen verhindern, obwohl sicher viel dafür getan wurde, weiter getan wird und auch weiterhin wird viel zur Verhinderung von pädophilen Übergriffen getan. Die Schuldfrage hier so einfach zu besetzen ist sicher nicht vollkommen zielführend. Klar trifft jeden Beteiligten eine gewisse Mitschuld, aber den in seinen Taten vollkommenen Menschen gibt es sicher nicht und die Eltern des traumatisierten Kindes werden sich sicher zeitlebens Vorwürfe machen. Das reicht doch sicher vollkommen! Da muss man doch nicht noch mit den Fingern auf sie zeigen. Denn sie haben dieses Geschehen ja nicht gewollt, nur durch ihre Unachtsamkeit ermöglicht. Und wer kann von sich sagen, dass ihm/ihr dies nicht passieren könnte/würde. Hier wäre ich sehr vorsichtig. Klar, man kann sich sehr bemühen. Aber eine Sicherheit gibt es hier leider nicht. Dies aber nur am Rande. Geschrieben ist dieses Buch in der Gestaltung der kindlichen Welt nämlich wunderbar. Die Autorin versetzt sich in die kindliche Welt hervorragend ein, die Schreibe aus der kindlichen denke heraus klingt vollkommen authentisch in meinen Augen/Ohren. Ein traumatisiertes Kind erfindet sich eine helfende Person, ihren Engel, der auch eine gewisse dunkle Präsenz hat. Und in ihrem gedanklichen Austausch mit dem Engel, in den imaginären Gesprächen zwischen Engel und Kind wird klarer, was hier passiert ist. Doch dies passiert nur uns Lesenden und auch wir brauchen ein Stück, um letztendlich das Unbegreifbare zu erfassen. Denn vielleicht will man dies auch nicht sehen, weil es schwer ist, so ein abstoßendes Verhalten jemandem zuzutrauen. Im Verhalten des Kindes wird ebenso sichtbar, dass etwas mit dem Kind nicht stimmt, es nässt ein und zieht sich zurück. Doch unsere erwachsene Welt versteht die kindliche Denke, die kindliche Welt nicht sofort, denn diese kindliche Welt zeigt ja nicht sofort das monströse Geschehen. Es zeigt die Unzulänglichkeiten des Kindes, aber nicht deren Ursache und gerade dieser Fakt zeigt auch wie schwer es sein wird, pädophile Übergriffe ohne psychologische Vorkenntnisse zu erkennen. Sarah Elena Müller gelingt es in ihrem Buch „Bild ohne Mädchen“ eine intensive und fesselnde Geschichte über ein traumatisierendes Geschehen zu schreiben. Ein Trauma, welches berührt und dies geschieht nicht in dem die Autorin dieses Trauma intensiv schildert, sondern die Autorin schildert dies eher leise und dies ist vollkommen richtig so. Denn eine Ausschlachtung dieses so traurigen Themas würde wahrscheinlich eine niedrige Leserschaft erreichen. Denn ich glaube nicht, dass solch eine Geschichte viele Leser findet. Es reicht so schon vollkommen! Dennoch zeigt unsere Welt uns immer wieder, dass solche Bücher wichtig sind. Denn Aufklärung verhindert vielleicht auch ein monströses Geschehen. So kann man nur hoffen!

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