Wedma
Es ist ein historischer Roman, der die Bilder der Vergangenheit wieder ins Leben ruft, um am Ende eine klare Warnung an die Leser heranzutragen. Es ist paar Tage vor Beginn des ersten Weltkrieges. Hans, ein junger Mann, ein Bauer aus dem hinterletzten Dorf landet in Wien. Zum ersten Mal in der Großstadt, erlebt er Abenteuer, die er sich kaum hätte erträumen können. Er hat viel Glück – gleich zu Anfang gerät er an die Leute, die ihn mit der Großstadt und ihren Besonderheiten bekanntmachen. Die neuen Freunde sind sehr anders als Hans: ein schmächtiger junger Mann, der eigentlich ein hoher Offizier aus den besten Kreisen ist und in den Krieg ziehen soll, wäre aber gerne ein Profi-Musiker geworden. Man darf zusammen mit Hans einer Orchesterprobe beiwohnen, bei der sein neuer Freund mitwirkt. Eine junge Frau aus untersten gesellschaftlichen Kreisen, die aber ihr Milieu verlassen und Mathematik studiert hat und kurz vor ihrer mündlichen Abschlussprüfung steht. Zu dritt ziehen sie in den letzten Stunden vor dem Ausbruch des Krieges durch die mitunter skurrilsten Schauplätze in Wien, als ob sie auf den letzten Drücker noch die letzten Reste ihres alten Lebens auskosten wollten, bevor der Krieg über ihren Köpfen ausbricht und alles vernichtet. Immer wieder tauchen die Horden von jungen Männern auf, die voller Begeisterung vom Krieg sprechen und sich voller Stolz zum Kriegsdienst melden. Am Anfang und am Ende tauchen sie auf und fordern Hans auf, mitzuziehen, seine Pflicht zu tun, wie sie es auch selbst getan haben. Hans ist aber ein kluger junger Mann. Man weiß heute, wie es für die kriegsbegeisterten Männer weiterging. Wenn sie nicht gefallen waren, durften sie, schwer physisch und psychisch verletzt, zurück zu den Ruinen zurückkehren, was früher ihre Häuser und Dörfer gewesen waren. Und das ist alles, was sie durch den Krieg gewonnen haben. Oft musste ich an das Buch von Ulrike Guerot „Endspiel Europa“ denken. Just am Anfang bringt sie im Klartext genau die Dinge, die hier in Romanform und eher durch die Blume, zum Ausdruck gebracht wurden. Heute versucht man, ähnliche Begeisterung durch Kriegspropaganda heraufzubeschwören. Die Eliten wollen ihre Machtverhältnisse wohl neu justieren. Als Angehöriger des „Fußvolkes“ braucht man bloß zu schauen, wie es vor hundert Jahren gelaufen war, um zu wissen, was man von der Propaganda halten soll und wer vom Krieg zu profitieren gedenkt. Und gerade das ist der Verdienst des Romans. Durch die eindrucksvollen Bilder der Vergangenheit versucht er, den Lesern begreiflich zu machen, dass man eigentlich besser weiterkäme, wenn man wie Hans sich fern von den Kriegsbegeisterten hält. Der Titel bezieht sich auf diese Clique von jungen Menschen, die nur für etwa drei Tage zusammen sind und durch die Häuser ziehen, einander aber so intensiv erleben, wie sonst kaum möglich. Und eigentlich hätte jeder der Inkommensurablen sein eigenes erfülltes Leben weiterführen können. Wenn nicht der anrollende Krieg und die Hirnlosen, die schon im Vorfeld die Merkmale alter Ordnung herunterreißen: die junge Frau kann ihre mündliche Prüfung nicht abhalten, da der Pöbel das Uni-Gebäude stürmt. Aufgrund von den Aussagen und der künstlerischen Leistung ist der Roman völlig richtig in der Langen Liste zum Deutschen Buchpreis gelandet.