stricki
Kunst und Poitik Ich habe den Klappentext falsch interpretiert, ich bin von einer Dystopie ausgegangen. Ganz klar mein Fehler! Der Name G. W. Pabst sagte mir nichts! Inzwischen bin ich klüger, er war ein sehr bekannter Filmregisseur und lebte von 1885 bis 1967. "Lichtspiel" handelt von seinem Leben, davon wie er zur Machtergreifung der Nationalsozialisten gerade mit Frau und Kind seine Mutter in Österreich besucht und das Land nicht mehr verlassen kann. Die Nazis zwingen den "roten Pabst", Propagandafilme zu drehen. Er hat keine Wahl und arrangiert sich mit den Gegebenheiten, die nicht nur schlecht sind, also rein sachlich aus Perspektive der Filmindustrie betrachtet, und er nutzt seine begrenzten Möglichkeiten, das zu tun, was er am besten kann: Filme drehen. Jetzt halt andere Filme, mit anderen Auftraggebern. Das Buch startet grandios mit dem verwirrten Wilzek, den ich in den darauf folgenden Kapiteln dann allerdings vermisste, was mich irritierte. In diesen lässt Kehlmann ordentlich Personal aufmarschieren, wir begleiten G. W. Pabst samt Ehefrau Trude und Sohn Jakob auf ihrer Reise von Amerika nach Österreich. Mit Schiff und Bahn. Ein Lesehighlight waren für mich die Szenen auf Schloss Dreiturm mit den unsäglichen Jerzabeks. Wie sich die Machtverhältnisse umdrehen. Auch die Beschreibungen der Filmszenen sind wunderbar zu lesen, ich befand mich mit Pabst am Set und sah alles deutlich vor mir. Großartig, wie er aus einem richtig schlechten Drehbuch einen spannungsvollen, tiefsinnigen Film hervorbringt. Kehlmann beschreibt eindrücklich, welchen Repressalien die Filmbranche unter den Nationalsozialisten ausgesetzt war. Pabst musste mitspielen, wollte er überleben. Andererseits standen ihm plötzlich mehr Mittel und Möglichkeiten als vorher zur Verfügung und er machte das Beste daraus, was nicht von allen gutgeheißen wurde. Ein hochinteressantes Thema. Mir war die Umsetzung allerdings zu langatmig, mit einem anstrengenden Anfangsteil und einem nicht so gelungenen Ende. Gefühlt treten alle Filmgrößen der Vergangenheit auf, manche auch nur in Pabsts Erinnerung. Kehlmann listet hier fleißig alle namhaften Filmgrößen seiner Zeit auf, ein auf mich endlos wirkendes Namedropping, was mich ermüdete.