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«Es gibt in ganz Bayern keinen Ort, der wirklich - öffentlich zugänglich - an die Menschen erinnert, die da umgebracht wurden. Und das sind immerhin 1.200 Menschen.» 2014 konnte Ulrich Trebbin für den BR aufdecken, dass die seit 1945 verschollene Guillotine von München-Stadelheim jahrzehntelang im Depot des Bayerischen Nationalmuseums vor der Öffentlichkeit verborgen worden wurde. Im Königreich Bayern wurden damit Menschen hingerichtet, die aus Habgier, Hass oder Lust gemordet hatten. Der NS-Staat benutzte sie, um vor allem «Volksschädlinge» und Widerstandskämpfer zu eliminieren - oftmals für Bagatelldelikte. Bei Kriegsende ließ man sie von der Bildfläche verschwinden. Und das bis heute: Denn der Freistaat Bayern hat sie mit einem Ausstellungsverbot belegt und versteckt damit bis heute einen unbequemen Teil unserer Vergangenheit vor der Öffentlichkeit. Viele kennen noch die Mitglieder der «Weißen Rose» oder den «Räuber Kneißl», doch die allermeisten der insgesamt mehr als 1.300 Opfer dieses Fallbeils sind vergessen. Dieses Buch möchte an einige von ihnen erinnern und erzählt gleichzeitig ein verdrängtes Kapitel unserer Geschichte: das der Todesstrafe; insbesondere, wenn es sich um Menschen handelt, die in der NS-Zeit als unerwünschte Bürger galten. Die Münchner oder Stadelheimer Guillotine, wurde 1855 vom Turmuhr-Konstrukteur Johann Mannhardt entwickelt. Die «Fallschwertmaschine» wurde als Fortschritt gefeiert, weil Hinrichtungen so humaner und zuverlässiger ausgeführt werden sollten. Bis 1813 wurde bei einem Todesurteil in Bayern noch auf das Rad geflochten; erst 1806 wurde die Folter abgeschafft. Eine Enthauptung galt «im Gegenzug etwa zum Galgen – als ehrenvolle und schmerzarme Hinrichtungsart». Auch glühende Zangen als zusätzliches Strafmaß zu Todesurteil wurden abgeschafft. Man hatte die Todesstrafe «humanisiert». Aber auch der Henker war nicht immer gut drauf, z.B. als er bei der Dekapitation des Johann Schied 1823 ihm das Henkerbeil daneben, tief in die Schulter sauste. Bereits seit dem 12. Jahrhundert gab es ähnliche Vorrichtungen wie die Guillotine mit fallenden Klingen. Der Arzt Joseph-Ignace Guillotin forderte während der Französischen Revolution eine Strafgesetzesreform mit einer humaneren Art der Hinrichtung, und wurde vom Pariser Scharfrichter Charles-Henri Sanson dabei unterstützt. Seinen Vorstellungen entsprach es, ein mechanisches Enthauptungsgerät zu entwickeln – das so umgesetzt wurde und seinen Namen enthielt; und das im Namen von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit ein Blutbad anrichtete. In Frankreich übrigens fand die letzte Hinrichtung per Guillotine 1977 statt. «Hochverrat ist: das, was uns nicht passt!» (Roland Freisler, Bayerns, Präsident des Volksgerichtshofs) Die Münchner Guillotine kam 90 Jahre zum Einsatz. 125 Verurteilte bis zum NS-Regime, und in der kurzen Zeit danach landeten ca. 1200 Menschen hier unter dem Fallbeil, fast alles politische Gefangene. Johann Reichhart, der Scharfrichter, hatte den Ruf, der schnellste Henker der Welt zu sein. Der letzte hier Hingerichtete war der Wilderer Guerrino Bozzato aus Padua (April 1945). Angeblich hatte man die Guillotine nach dem 2. Weltkrieg in der Donau versenkt. Ulrich Trebbin fand heraus, dass dies nicht wahr sein konnte und forschte nach. Nach Regensburg zur Reparatur gebracht, verschwand die Maschine zunächst in der Versenkung, bis sie in den 70-ern dem Bayerischen Nationalmuseum angeboten wurde. Die Geschwister Scholl wurden am 22. Februar 1943 mit diesem Gerät hingerichtet, wie auch Christoph Probst, Josef Bollwein (Abhören feindlicher Radiosender), Marie Ehrlich (denunziert als Jüdin und Widerstandskämpferin), Adolf Engesser (denunziert, er hatte sich abfällig bei einem Kollegen über Adolf Hitler geäußert); der Jude Leo Katzenberger (denunziert wurde, mit einer Deutschen ein Verhältnis gehabt zu haben, der Verdacht reichte aus); oder Anna Guttenberger (sie und ihr Mann verlieren die Arbeit, weil sie als «Zigeuner» identifiziert wurden) wird beim Hausieren erwischt und wegen unerlaubten Sammelns hingerichtet. Oder Johann Dederichs, er hatte nach einem Luftangriff beim Aufräumen im Trümmerfeld zwei Laken und ein Hemd für sich behalten, anstatt es abzugeben. Das Museum weigert sich bis heute, dieses historische Gerät auszustellen. Zu grausam. Ulrich Trebbin wiederum kämpft dafür, dass die Guillotine gezeigt wird – mit ihrer Geschichte und den Namen der Verurteilten, den Gründen. Denn es geht darum, nicht zu vergessen, wie und warum das Nazi-System mit dieser Maschine Leben beendete hat. In diesem Buch sind alle Namen erfasst bis 1936 – fast ausschließlich Delikte wegen Mordes. Die NS-Dokumentation bleibt verschlossen. Man fragt sich warum – und warum gerade in Bayern? Das historische Sachbuch gibt einen guten Überblick über die Geschichte der Guillotine allgemein und insbesondere zur bayrischen, die hoffentlich nicht mehr lange in ihrem Versteck wortlos vergammeln muss. Ulrich Trebbin ist Journalist beim Bayerischen Rundfunk sowie Gestalt- und Traumatherapeut. Er hat zahlreiche Radiosendungen zu der Frage geschrieben, wie wir heute mit unserem nationalsozialistischen Erbe umgehen.