Profilbild von ninchenpinchen

ninchenpinchen

Posted on 22.9.2023

In der ersten Hälfte ein Kinderbuch Was hatte ich erwartet von Silvia Moreno-Garcias „Die Tochter des Doktor Moreau“? Grusel, Mystery, vielleicht sogar Horror? Gibt es eigentlich eine Gattung die Insel-Horror heißt? Oder wenigstens Halbinsel-Horror? 😉 Was ich aber fand, das war ein Kinderbuch, jedenfalls in der ersten Hälfte. Nun gut, da werden die Personen vorgestellt, der Landsitz, die Gegend. Alles sehr gemächlich, quasi wie im Zeitlupentempo. Keine Höhen, keine Tiefen, es plätschert so dahin. Dann hatte ich Abbruch im Sinn. Nee, dachte ich, dafür ist dir deine Zeit zu schade. Und wow, doch plötzlich und ganz unerwartet wurde es spannend. Hoch spannend. Als hätten zwei verschiedene Autoren hier mit denselben Personen gespielt. Stress kommt auf und die bis dahin recht hölzern agierenden Protagonisten erwachen zum Leben. Etwa so, wie die künstlich erschaffenen Kreaturen, hier hauptsächlich „Hybriden“ genannt. Aber die können alle sprechen, sehen nur komisch aus und leiden an ihren Deformationen. Jedenfalls fast alle, die Titelheldin sieht natürlich nicht komisch aus, die ist schön, wunderschön. Wäre ja auch sonst langweilig – oder? Also, wie gesagt, ab der zweiten Hälfte nimmt das Geschehen deutlich an Fahrt auf. Und der Kampf ums Überleben beginnt und was nun zu tun sei, ob der ganzen Bedrohungen, die da kommen. Auf den Schöpfer der Kreaturen kann frau (hier Carlota genannt) sich auch nicht mehr verlassen, der bekommt einen Hirnschlag, als man ihn am Nötigsten gebraucht hätte. Und liegt fortan im Bett. Es gibt also einen Kreator, Doktor Moreau, der halb-menschliche, halb-tierische Lebewesen in seinem Labor erschafft. Das sollen mal die Sklaven für die Landarbeit werden, was sie aber gar nicht leisten können, denn sie leiden, siehe oben. Und sind teilweise nur sehr eingeschränkt einsatzfähig. Carlota, Doktor Moreaus Tochter, erzählt in jedem zweiten Kapitel den Fortgang der Geschichte aus ihrer Sicht. Das jeweils andere Kapitel ist für Montgomery reserviert, dem britischen Gutsverwalter. Der hat eher so Kommissars-Eigenschaften im Stil unserer Zeit: Er säuft und ist ständig deprimiert. So geht es immer im Wechsel. Das Ganze ereignet sich im Dschungel der Halbinsel Yucatán im Mexiko des 19. Jahrhunderts. Dann gibt es noch einen Financier, Hernando Lizalde, und der hat einen Sohn, Eduardo, und der Sohn hat einen Cousin, Isidro. Zwischendurch werden noch – der Exotik zuliebe – ein paar spanische Brocken in den Roman geworfen. Fazit: Irgendwie ein bisschen wie „Lederstrumpf“, aber in der ersten Hälfte weit weniger spannend. Wer hier Grusel & Mystery erwartet, der hat mit Zitronen gehandelt, aber die wachsen hier ja wohl auch. Ganz nett, aber sehr unambitioniert. Lieber die Zeit in Wells’ Original investieren.

zurück nach oben