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„Lebenshandwerkerin“, so nennt sich die 14jährige Katha selbst, weil sie seit ihrer Kindheit ihre ganze Kraft dafür aufwendet, andere Leute zufrieden zu stellen. Allen voran ihre Mutter, die nach der Scheidung von Kathas Vater in einem Sumpf aus Bitterkeit und Überforderung versinkt. Ihr nimmt Katha quasi die Versorgung und Erziehung ihrer achtjährigen Schwester Nadine ab. Nadine ist eine rebellische und furchtlose Natur, sie lebt ihre Gefühle rücksichtslos aus und ist damit das genaue Gegenteil von Katha. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, verstehen sich die beiden Schwestern gut. Nach der Trennung der Eltern zieht die Mutter mit den Mädchen nach Dortmund. In der neuen Schule schließt sich Katha einer Mädchenclique an und findet in Angelica, der Mutter einer Mitschülerin, eine erwachsene Freundin, die ihr zuhört, sie sieht und ihr durch die schwierige Zeit der Pubertät hilft. Dank Angelicas Einfluss traut Katha sich sogar, gegen die Lehrerin und ihre Mutter aufzubegehren. Doch dann geschieht ein Unglück, das für Katha den Untergang ihrer Welt bedeutet. Der Titel „Am Tag des Weltuntergangs verschlang der Wolf die Sonne“ ist Aufsehen erregend, das Buchcover entsprechend dramatisch. Dieses tolle Sprachbild wird im Verlauf der Geschichte erklärt. Sina Scherzant verwendet noch viele andere originelle Sprachbilder in dem angenehm zu lesenden Roman. Ich konnte mühelos in die Gedankenwelt der 14jährigen Katha eintauchen und sehr gut nachempfinden, wie sie einem Chamäleon gleich die Farbe wechselt, wenn es erforderlich ist, um Harmonie herzustellen. Auch das ständige Unterdrücken der eigenen Impulse und das Gefühl, unsichtbar zu sein, beschreibt die Autorin eindringlich. Nach dem mit 0. überschriebenen 1. Teil folgt eine abstrakte und verwirrende Sequenz, die Kathas Schockzustand nach der Katastrophe widerspiegeln soll. Damit konnte ich mich nicht anfreunden. Der kurze 3. Teil spielt 14 Jahre später und führt einige offene Fäden zusammen. In ihrem bemerkenswerten Debütroman spricht Sina Scherzant Themen wie Ausgrenzung, Feminismus, Transgender, Scheidungsfolgen und Trauerbewältigung an. Einiges ist mir zu schwarz-weiß gemalt, so werden die Männer grundsätzlich negativ dargestellt. Auch sind die Beschreibungen für meinen Geschmack zu langatmig. Insgesamt ist es eine interessante, gut geschriebene Erzählung über das Leben und Fühlen eines jungen Mädchens in den 2000er Jahren in Deutschland.