daniliest
Ich bin ein großer Fan historischer Romane und „Wellenkinder“ hatte von der Inhaltsangabe her großes Potenzial ein Buch nach meinem Geschmack zu sein. Ich bin sehr gut in die Geschichte hineingekommen und war am Anfang ziemlich begeistert und ergriffen von der Handlung. Erzählt wird aus der Perspektive von drei verschiedenen Charakteren. Nach Ende des zweiten Weltkriegs findet Margit mit ihrer Familie ein neues zu Hause in Ostdeutschland. Im zweiten Erzählstrang geht es um Oda, deren Flucht in den Westen missglückt und die deswegen im Gefängnis landet. In der Gegenwart muss sich Jan nach Jahren ohne Kontakt um seinen im Sterben liegenden Vater kümmern. Ein Besuch, der eigentlich nur einen Tag dauern sollte, bringt schockierende Enthüllungen mit sich. Sehr gut gefallen haben mir die Kapitel aus Odas Sicht. Die Ungerechtigkeit und die Willkür die dieser Frau widerfahren sind, haben mich sehr berührt. Leider wird der überwiegende Teil der Geschichte aus Jans Perspektive erzählt. Leider deswegen, weil die Charaktere in der Gegenwart einfach furchtbar sind. Die Schlimmste von allen ist Gesa, Jans Ehefrau. Eigentlich ist sie nur eine Nebenfigur aber ihre Auftritte schießen jeden Vogel ab. Jan und Gesa leben auf ihr Ansinnen getrennt. Gesa ist eine völlig ich-bezogene narzisstische Person, Ständig macht sie Jan Vorhaltungen, dass er nicht alle Sorgen mit ihr teilt, heult rum, zeigt ihm die kalte Schulter, stellt ihre ach so schlimme Enttäuschung in den Mittelpunkt ohne einen Hauch Verständnis dafür zu haben, dass Jans Welt gerade auf den Kopf gestellt wird und er eine Identitätskrise hat. Jan verhält sich seiner Frau gegenüber völlig unterwürfig und ich konnte über diese toxische Beziehung nur immer wieder den Kopf schütteln. Allerdings hielt sich mein Mitleid mit Jan trotzdem in Grenzen, denn auch er ist ein ziemlich unangenehmer Zeitgenosse. Als er seine leibliche Mutter trifft, tritt er dermaßen gehässig und verletzend auf, dass mein Herz für diese Frau geblutet hat. Er scheint auch keinerlei Interesse an Geschichte zu haben, denn der Gedanke, dass in der DDR nicht nur Schwerverbrecher im Gefängnis saßen ist für ihn völlig abwegig. Generell nimmt er es mit Respekt gegenüber anderen Menschen nicht so genau. Trotz dem zerrüttetem Verhältnis zu seinem (Adoptiv-)vater fand ich es völlig unmöglich, wie er immer von seinem „alten Vater“gesprochen hat, um seine Geringschätzung jedes Mal aufs Neue zu untermauern. Die Charaktere in diesem Buch tragen alle sehr viel Wut in sich, die sie zentriert auf eine einzelne Person entladen, die überhaupt nichts für den jeweiligen Umstand kann. Ronald ist wütend auf seine Frau Margit und deren enge Verbindung zu Horst, deswegen schneidet er seinen Sohn Jan. Gesa ist mit ihrem Leben unzufrieden und macht deswegen Jan die Hölle heiß. Und Jan ist wütend auf seine Adoptiveltern und verletzt deswegen Oda. Und weil drei unleidliche Personen noch nicht genug sind, gibt es noch Jans Sohn Connie. Stellt euch alle nervigen Eigenschaften eines Kindergartenkindes vor und multipliziert diese mit 10 – dann habt ihr Connie. Der Junge bringt der Geschichte prinzipiell keinen Mehrwert, außer dem Leser den Verstand zu rauben. Eigentlich ist es aber auch kein Wunder, dass er ständig überdreht und aufmüpfig ist, wenn er ständig mit Süßigkeiten und Pizza vollgestopft wird. All diese Leute, die ich mehr als anstrengend fand und deren rücksichtslose Art, mit anderen Menschen umzugehen, haben die Geschichte leider für mich kaputt gemacht. Die Grundidee fand ich gut, der Schreibstil war manchmal etwas zu blumig um natürlich zu sein, aber dennoch gut zu lesen, nur verbreitet das Buch leider eine sehr negative, aggressive Stimmung. Das tragische Ende und den Auslöser für das Geschehene habe ich bereits im letzten Viertel des Romans vorhergesehen und es konnte mich deswegen nicht überraschen. Der Schluss hätte gerne etwas kürzer und weniger melodramatisch sein können.