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joberlin

Posted on 11.9.2023

Die Reihe „ rororo Entdeckungen“ des Rowohlt Verlags will interessante, doch fast vergessene Autorinnen neu vorstellen und ihre Werke einer breiteren Leserschaft wieder zugänglich machen. Der Titel „Ein Mädchen mit Prokura“ und das Cover sprechen mich sofort an. Die Autorin Christa Anita Brück arbeitete nach kaufmännischer Ausbildung selbst als Sekretärin und begann dann, Romane über die Situation weiblicher Angestellter in der Weimarer Republik zu schreiben. Sie war erfolgreich, denn Themen wie „neue Sachlichkeit/neue Frau“ (Abkehr von bis dahin herkömmlichen, romantisierenden Frauenbildern, Schilderung der realen Lebens- /Arbeitssituation) war zu diesem Zeitpunkt das moderne Romanthema. Berlin 1931, brodelnde Geschäftigkeit – Christa Anita Brück fesselt mich mit ihrem temporeichen, geradezu atemlosen Romanbeginn: Thea Inken mag keine perfekte Stenotypistin sein, doch mit ihrer selbstbewusst-intelligenten Art könnte sie genau die richtige Verhandlungspartnerin für Geschäftskunden sein – Bankdirektor Brüggemann erkenntdas, stellt sie ein und ihr Aufstieg beginnt. Schnell erhält sie Handlungsvollmacht, das weckt Neid und Argwohn der männlichen Kollegen. Christa Anita Brück zeichnet mit ihrer Protagonistin ein neues Frauenbild, das auch heute noch gefällt und interessiert: Zielorientiert, zäh, kühl-rational arbeitet Thea Inken und ist bald Brüggemanns wichtigste Angestellte. Sehr gut, wie die Autorin anhand der Arbeitswelt der Bankangestellten die soziale Situation, die Stimmung dieser Menschen im Berlin um 1930 darstellen kann. Angst vor Arbeitslosigkeit und die bedrohliche Finanzmisere der vielen, kleinen Privatbanken bestimmen den Alltag. Auch das Bankhaus Brüggemann gerät ins Wanken. Es kommt zu ersten Entlassungen. Immer bedrohlicher schildert die Autorin das Verhältnis der Angestellten untereinander, sehr gut gelingt ihr das mit einfachen, schnellen Sätzen, doch man fühlt eine Art schicksalhaftes Grauen, fühlt auch das drohende Unheil, das über allem zu schweben scheint. Zwar kommt Thea Inken in ihrem ruhigen, überlegten Handeln sehr viel besser mit diesen Gegebenheiten zurecht als die in Untergangspanik verharrenden männlichen Kollegen, doch als Direktor Brüggemann tot aufgefunden wird, kommt auch sie in Bedrängnis. Mord, Raubmord, Selbstmord? Hat Thea, seine Prokuristin, womöglich etwas damit zu tun? Interessant, spannend, gut geschrieben ist dieser Roman, dem ich eine große Leserschaft wünsche und den ich zur bereichernden Lektüre empfehlen kann.

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