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gwyn

Posted on 8.9.2023

Der Mythos Medusa neu erzählt als Graphic Novel. War Medusa ein Monster? War Perseus ein Held? Der Wende-Comic erzählt die bekannten Überlieferung aus der Perspektive beider Figuren ein wenig anders: Medusa ist nicht das Ungeheuer, das aus Bosheit Menschen zu Stein verwandelt. Von einem Gott missbraucht und einer Göttin dafür bestraft ist sie ein zweifaches Opfer der Götter. Perseus hingegen ist noch ein Kind und wird zum Spielball der Mächtigen. Mit eindrücklichen Bildern erkläret der Comic, der von zwei Seiten zu lesen ist, die griechische Mythologie. In der Mitte treffen die beiden zusammen; das unvermeidbare Ende für Medusa. Medusa ist schönste der Gorgonen, in die sich sogar der Meeresgott Poseidon verliebt, sie vergewaltigt und schwängert. Eifersüchtig verflucht die Göttin Athene sie im Zorn: Schlangen statt Haare umgeben ihr Haupt und ihr Blick versteinert nun jeden, der sie anschaut. – Die Überlieferung von Ovid Version wiederum besagt, dass dies im Tempel der Athene passiert und ihr Zorn darüber Medusa in dies Ungeheuer verwandelt. Medusa wird in der Mythologie als bösartige, geflügelte Jungfrau mit Reißzähnen, Klauen und einem Gürtel aus Schlangen beschrieben. Sie lebt auf einer Insel und viele tapfere Krieger versuchen sie zu erledigen. Ihr Blick lässt alle versteinern. – Perseus ist der Sohn von Zeus und Danaë und ihrem Vater wird prophezeit, dass dieses Kind ihm zum Verhängnis werden wird. Darum sperrt der König Enkel und Tochter in eine Kiste, setzt sie auf dem Meer aus. Doch sie werden durch Poseidon gerettet und stranden auf der Insel Seriphos. Diktys, ein Bruder von König Polydektes, lässt sie bei sich wohnen. Polydektes gefällt Danaë und er stellt ihr nach. Um den lästigen Perseus loszuwerden, schickt er ihn listig los, um ihm das Haupt der Medusa bringen, in der Hoffnung, dass er versteinert würde. Natürlich ist es nicht einfach, die Medusa zu finden und manches nützliche Abenteuer wartet auf Persus, bis er am Ziel ist. Beim Tod der Medusa entspringen der Schwangeren das geflügelte Pferd Pegasos und der der Riese Chrysaor. – So die Mythologie. «Medusa, das Monster. Hässlich wie die Nacht. Nimm dich vor meinem Schwert in Acht!» André Breinbauer nimmt sich der Version von Ovid an, lässt Athene vor Wut explodieren, weil es in ihrem Tempel geschieht. Medusa, doppelt bestraft, geschändet und in ein Monster verwandelt, ergibt sich ihrer Hilflosigkeit und ihrem Schmerz. Vereinsamt lebt sie auf einer Insel, um nicht noch mehr Menschen ins Unglück zu stürzen. Und sie stellt fest: «Die Götter sind nichts als eitle, verzogene Kinder mit zu viel Macht.» Doch immer mehr Helden betreten ihren Rückzugsort, um sie zu töten und versteinern bei ihrem Anblick. Nichts, das Medusa ändern kann. Der steinerne Wald von Kriegern vergrößert sich und Medusa ist es leid. – Perseus, ein Teenie, begibt sich auf den Weg, um seine Mutter vor Polydektes zu retten. Er ist ein naiver Junge, der den Schafbock von Dimos für Medusa hielt. Und er erzählt ihm, der benötigt den Kopf der Medusa, um Steuerschulden seiner Mutter Danaë zu bezahlen. Er sei der Sohn eines armen Fischers. So singt ihm Dimos ein Lied vor, das von der berühmten Danaë handelt, und er gibt ihm einen Schild mit, sich zu schützen und den Tipp, zunächst die Graien zu finden, die wissen könnten, wo die Medusa sich aufhält. So begibt sich Perseus auf eine Abenteuerreise. Beide Geschichten sind voll von toxischer Männlichkeit; Männer die sich nehmen, was sie wollen, Frauen vergewaltigen und sie ihrer Freiheit berauben. Besonders deutlich und derb wird es im Lied über Danaë. Die Geschichte der Meduse kommt mit wenig Text aus, denn sie ist ja meist allein. Um so ausdrucksvoller sind ihre Emotionen gezeichnet. Perseus Geschichte ist eine Heldenreise und er hat Abenteuer zu bestehen, trifft auf einige Wesen, mit denen er kommuniziert. Er ist ein Jugendlicher im Spielball der Mächtigen und der Götter. Allerdings ist er nicht der strahlende Held, sondern ein naiver Teenager, klein und klapperdürr, der von einer Eskapade in die nächste stolpert und von allen Seiten Hilfestellung bekommt. Pfiffig laviert er sich aus gefährlichen Situationen, zieht Gewinn daraus. Medusa ist es leid, anderen Böses zuzufügen, sie ist lebensüberdrüssig, vereinsamt als Monster verschrien. Die Graphic Novel ist einerseits eine Neuinterpretation des griechischen Mythos um Medusa und Perseus, aber andererseits hält sie sich grundsätzlich an die Vorlage. Wirklich feministisch ist diese Version nicht. Beide Figuren sind Opfer und Medusa kann sich aus dieser Rolle nicht lösen; die Geschichte klebt mir doch zu dicht den patriarchalen Darstellungen der alten Griechen. Die Perspektive der Story ist allerdings nicht als die eines neutralen Erzählers angelegt, sondern aus der Perspektive der Betroffenen, emotional; das macht sie anders. So wird aus dem Helden ein Antiheld und aus dem Monster ein bemitleidenswertes Geschöpf. André Breinbauer war mit »Medusa und Perseus« Finalist des Comicbuchpreises 2021 der Berthold Leibinger Stiftung. Der Carlson Verlag gibt eine Altersempfehlung ab 14 Jahren – aber natürlich ist diese Graphic Novel Allage. André Breinbauer, 1973 in Passau geboren, studierte Grafikdesign an der Kunstakademie Nürnberg. Seit 2005 lebt er als freischaffender Illustrator und Comiczeichner in Wien. Breinbauers Comics wurden in diversen Zeitschriften und Anthologien wie »Echo des Wahnsinns« mit H.P. Lovecraft-Adaptionen veröffentlicht. Er schuf Beiträge u.a. für das MAK - Österreichisches Museum für angewandte Kunst - sowie das SLASH Filmfestival. Bis heute gibt der Künstler Kurse für Comiczeichnen an der Zeichenfabrik Wien. Schon als Kind weckte die Serie »Unterwegs mit Odysseus« seine Faszination für die griechische Mythologie, die ihn seither nicht mehr loslässt. In seinem Graphic Novel-Debüt »Medusa und Perseus« widmet er sich einer seiner Lieblingsfragen: Wer ist hier eigentlich wirklich Held*in und wer Monster?

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