gwyn
«Vor drei Monaten war ich sicher, dass ich nicht schwanger werden konnte. Dann war ich sicher, dass der Abbruch erfolgreich gewesen und ich in meinem Körper wieder allein war. Ich lag in beiden Fällen daneben.» Ein Liebesroman aus der Realität, gnadenlos, der zeigt, wie schwer Liebe zu definieren ist. Mariam ist der Meinung, dass Lio, um die 30 Jahre alt, jetzt endlich mal eine Beziehung haben muss, setzt sie auf eine Datingapp. Lio ist Jungfrau, denn ihr Körper ist ihr Albtraum. Sie mag sich nicht anfassen lassen, hat Angst vorm ersten Mal aus verschiedenen Gründen. Max möchte sich mit ihr treffen, der ihr schreibt, das er sich das erste Treffen in seiner Badewanne vorstellt. Lio schreibt: klar, warum nicht – Max muss tief Luft holen, bietet dann doch ein neutrales erstes Treffen an. Beim zweiten Mal geht es in die Badewanne und eine dysfunktionale Beziehung nimmt ihren Lauf. Halt, nicht wie ihr jetzt denken mögt. Es dauert eine Weile, bis Max Lio berühren darf – er ist sehr rücksichtsvoll, ein feinfühliger Mensch mit Geduld. «‹Ich wünschte, ich hätte dich nie geboren.› Es war eine Feststellung, mehr an sie selbst, als an mich gerichtet. Der Inhalt überraschte mich weniger als die Tatsache, dass meine Mutter mir Einblick in ihr Gefühlsleben gewährte.» Lio ist Biologin und arbeitet in einem Labor, Max hat Soziologie studiert, ist allerdings Radiosprecher in der Frühsendung. Sie leidet unter der Beziehung zu ihrer narzisstischen, gewalttätigen Mutter. Max hat immer darunter gelitten, keinen Vater zu haben. Er ist ein gutaussehender Partylöwe, der sich gern Alkohol und Drogen hingibt, sich oft verhält wie ein Kind, ein nettes Kind. Lio ist ehrgeizig und ein eher sachlicher Typ, ist froh, dass er rücksichtsvoll mit ihr umgeht. Sie sucht die körperliche Nähe, kann aber schwer über ihr inneres Gefühl der Ablehnung springen: «abwechselnd wie ein Roboter und wie ein Tier, das gerade geboren wurde und sich sofort verteidigen musste, aber nicht wusste, wie». Die beiden ziehen zusammen, doch die Beziehung läuft eher schlecht als recht. Die beiden sind zu verschieden. Max macht seinen kleinen Job, aber ansonsten lebt er in den Tag hinein, pflegt seine Depressionen. Sie hasst seine «schnoddrige Selbstverständlichkeit, mit der Max Luxus aufaß oder wegtrank» – sie, die aus sehr armen Verhältnissen stammt, wo jeder Pfennig umgedreht wurde und es doch nie reichte. «In seiner Schulzeit hatte Max vor allem gelernt, sich durchzusetzen. Er war faul, schlau und unbesiegbar. Da er alles verargumentieren konnte, zog kein Vergehen je Konsequenzen nach sich.» Später stellt sich raus, Lio ist vor langer Zeit auf einem Dorffest vergewaltigt worden. Als sie nun ungeplant schwanger von Max wird, beschließt sie sofort, abzutreiben. Max hätte gern ein Kind mit ihr – sie verschweigt ihre Schwangerschaft. Doch sie hat reichlich Zeit bis zum Termin, um nachzudenken. Nun werden die Kapitel mit Beschreibungen des Fötus in der jeweiligen Schwangerschaftswoche eingeleitet. Lios Gedanken kehren zurück in die Kindheitstage – eine üble Kindheit. Sie liebt Max. Liebt sie ihn wirklich oder nur deshalb, weil er Lio nimmt, so wie sie ist? Doch sie erträgt seine Ausrutscher nicht, seinen Partyrausch, die Abstürze, seine Unordnung, seine Planlosigkeit und Sorglosigkeit mit allem. Sie hat sich alles erarbeitet, was sie ist. Er hat alles hinterhergeworfen bekommen und nichts draus gemacht. Zwei gegenteilige Biografien, zwei verlorene Seelen, die ihre Schmerzen nie aufgearbeitet haben. «Der Mann, dem morgens die ganze Stadt zuhören konnte und der abends seine Freund:innen traf, war gut gelaunt, charmant und ironisch. Der Mann, mit dem ich zusammenlebte, war nicht in der Lage, seine Teller abzuwaschen oder staubzusaugen. Nur zu Hause und bei mir ging es ihm schlecht, für alle anderen blieb Max ein Magnet, der Strahlkraft für zehn hatte.» Ich habe mich nicht gelangweilt, aber gefesselt hat mich der Roman nicht. Die Beziehungen zu der Kindheit, den Eltern, werden nur angerissen und so war es schwierig, sich in Gründe hineinzufinden, insbesondere bei Max. Beide Protagonist:innen gingen mir leicht auf die Nerven, auf keinen Fall konnten sie mich berühren. Der schludrige Dany Max auf der einen Seite, der eigentlich nichts auf die Reihe bekommt und eine sich selbst bemitleidende Lio, die auch nicht zurecht käme, würde nicht Mariam jeden Atemzug von ihr stützen. Das Buch ist ok – mir persönlich inhaltlich etwas zu flach und sprachlich ist es schlicht Durchschnitt. Der Plot lief auf einer Nulllinie, weder gab es dramaturgische Tiefen, noch Höhen. Mittelmaß, mehr springt bei mir nicht heraus. Ich sage selten etwas über Cover, weil sie mir egal sind. Das hier ist allerdings das Unpassendste, was man sich für genau diesen Roman aussuchen könnte. Es lockt dazu noch die falschen Leser:innen an – gewollt?