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Yvonne Franke

Posted on 18.8.2023

Wir tauchen ein in die Parallelgesellschaft eines unterirdischen Schwimmbads. Eine eingeschworene Gemeinschaft folgt strengen Regeln: immer eine Badekappe tragen, wer langsam schwimmt, bleibt in seiner Bahn, die Schnellen ebenso. Will man jemanden überholen, tippt man ihm oder ihr zuvor auf den Fuß, um sich anzukündigen. Oben in der Welt spricht man nicht darüber, was hier geschieht. Man gehört zusammen, auch wenn man einander in Straßenkleidung kaum wieder erkennt. Viele, die hier schwimmen, kommen jeden Tag, zählen ihre Bahnen auf unterschiedliche Art, fügen das Schwimmen in ihren Alltag ein. Als das Schwimmbad nun aber für längere Reparaturarbeiten geschlossen wird, geraten einige dieser Alltage durcheinander. Insbesondere der von Alice. Bereits seit einiger Zeit hatte sie sich nur noch unter Wasser als vollständiger Mensch gefühlt. Die gleichmäßigen Schwimmbewegungen gaben ihr Halt, fügten etwas zusammen, das "oben" immer weiter auseinander geriet. Alice' Demenz schreitet nun, an Land, in immer größeren Schritten voran. Bewegungen gehen ihr verloren und "Hatte früher nicht alles einen Namen?" Julie Otsuka ist eine ungewöhnliche Erzählerin. Es ist, als würde sie einem die Details dieser Lebensgeschichte in Puzzleteilen in den Weg streuen und sagen: ach, schau einfach mal, wie die für dich am besten passen. Sie reiht ungewöhnliche Beobachtungen aneinander aus denen sich dann ein Gesamtbild eines Ortes, einer Gesellschaft, eines Seelenlebens formieren, wie bei einem Zaubertrick. Oder als würde man beim Betrachten eines 3D Bildes die Augen zusammenkneifen und plötzlich entsteht aus all dem Kuddelmuddel ein Kunstwerk, das schon immer da war – man musste nur lernen es zu sehen. Dadurch wird spürbar, aus wie vielen Einzelteilen das Leben eines Menschen besteht und wie schwer es ist, die alle beisammen zu halten, dass es leicht mal sein kann, dass man es Stück für Stück verliert – wie Alice. "Solange wir schwimmen" ist den USA ein Bestseller und wurde bislang in 15 Sprachen übersetzt. Ins Deutsche von der wunderbar genauen und empathischen Katja Scholtz, die uns hier wieder ein großes Geschenk gemacht hat.

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