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joberlin

Posted on 15.8.2023

Ich liebe Hilary Mantel, ihr plötzlicher Tod in 2022 hat mich sehr berührt. Der DuMont Verlag bietet mit „Sprechen lernen“ nun allen Fans Trost und Neueinsteigern die Möglichkeit, die Autorin in Erzählungen zu entdecken. Beeindruckend ist wieder die exzellente Sprache Mantels, die sehr gute Übersetzung von Werner Löcher-Lawrence hat Anteil daran. Die sieben Geschichten, die sich mit Kindheit und Jugend jeweils wechselnder Protagonisten befassen, spielen alle in den 50er und 60er Jahren in Nordengland und sind von eigenem Erleben der Autorin beeinflusst. Die triste Nachkriegszeit , der Verlust des Vaters, der neue Stiefvater sind prägende Einflüsse. Der Zusammenhang zwischen Lebensort, Bildung, Einkommen und daraus resultierender Sprache wird ganz deutlich. In der Titelgeschichte „Sprechen lernen“ nimmt die Erzählerin, um ihren nordenglischen Dialekt zu glätten, Sprachunterrichts bei einer Ex-Schauspielerin, die allerdings selbst unter einem Manchester-Akzent leidet. „Rund ist die Schönheit“ ist eine Geschichte über Liebe und Freundschaft, Glauben und eine Beinahe-Katastrophe auf einem Schrottplatz. Und in „Hoch in den dritten Stock“ sieht die Erzählerin verblüfft zu, wie sich ihre Mutter als Kaufhausangestellte ganz neu erfindet. Mantel schreibt nie zu viel und lässt ihre Protagonisten sich nie ganz offenbaren, knapp schildert sie oftmals nur kleine Veränderungen, die doch das spätere Leben beeinflussen. Sie zeigt damit auch Orientierung für das eigene Leben auf, das gerade erst beginnt: Aufstehen, Vorwärtsgehen, Weiterkommen und die Geister der Kindheit hinter sich lassen - auch wenn wohl niemand diesen je ganz entkommen kann.

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