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sophiesyndrom

Posted on 13.8.2023

Malinda Lo erzählt die Geschichte von Lily, die inmitten von dem San Francisco der 50er Jahre zwischen Erwartungsdruck und vorsichtigem Freiheitsgefühl ihre romantischen Gefühle für Klassenkameradin Kathleen entdeckt. Doch die feine Illusion von Sicherheit, die die nächtlichen Besuche der Mädchen im Telegraph Club hervorrufen, hält nicht ewig an und es zeigt sich deutlich, wie viel zwischen ihnen und ihrer Liebe zueinander steht. Obwohl der Fokus der Handlung auf Protagonistin Lily lag, die durch Kathleen und die Nächte im Telegraph Club sich selbst und besonders ihre Gefühlswelt besser kennenlernt, streut die Autorin weitere Perspektiven ein. Wir erfahren mehr über Lilys Mutter und über Tante Judy – zwei Frauen, die ihre ganz eigenen persönlichen Lebenswelten bieten, wodurch sich auch zwischenzeitlich die Themenschwerpunkte verschieben. Bei Lilys Mutter steht vermehrt die Beziehung von USA und China im Vordergrund und die damit einhergehende Bedeutung für ihr eigenes Leben, während bei Tante Judy der damals als unkonventionell erscheinende Beruf als Wissenschaftlerin eine große Rolle spielt. Das alles wird zusätzlich durch einen Zeitstrahl am Anfang jener Kapitel in die politische Situation der Jahre eingeordnet und ermöglicht neben diesen vielen wertvollen individuellen Einsichten ein Verständnis über einen größeren Gesamtzusammenhang. Dabei zeigt sich immer wieder die Härte der 50er Jahre durch Rassismuserfahrungen sowie Ausgrenzung und Verfolgung der queeren Community. Bei Protagonistin Lily kommen diese vielen Aspekte zusammen – sie beschreibt das Zusammenleben in Chinatown, begeistert sich wie Tante Judy für Technik und Raumfahrt und zusätzlich entdeckt sie ihre sexuelle Orientierung. Alle drei Perspektiven, aber vor allem Lily wurde nahbar mit all ihren Gedanken, Ängsten und Wünschen geschildert. Dabei hatte der Schreibstil etwas leicht poetisches wie auch eine eindrucksvolle Wirklichkeitsnähe. Zudem habe ich es sehr genossen, wie Malinda Lo vermeintlich kleinen Dingen und Beschreibungen Raum gegeben hat. Gegen Ende der Handlung verspürt man eine gewisse Frustration, weil vieles so unmöglich erscheint und unfair ist, aber gleichzeitig schafft es die Autorin, Zuversicht zu vermitteln. Ich hätte mir kein passenderes Ende für diese Geschichte vorstellen können. Als Extra war dem Buch eine Sammlung von Hintergrundwissen beigefügt, die Infos über Chinese Americans, die 50er Jahre und die lesbische Community bereithielt. Das war ebenso eine wunderbare Möglichkeit, um die Handlung noch besser einordnen zu können, aber auch schlicht, um sich neues Wissen anzueignen.

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