sbs
Warum? Diese Frage stellt man sich wohl, wenn ein geliebter Mensch im näheren Umfeld Suizid begeht. Warum hat man nichts gemerkt? Hätte man es irgendwie verhindern können? Journalistin Anja Reich stellt sich diese Fragen, denn ihre Freundin Simone sprang 1996 in den Tod. Das Buch ist sehr berührend und hat mich total aufgewühlt. Es ist unheimlich gutgeschrieben, bewegend und schonungslos ehrlich. Simones Leben wird nicht glattgebügelt, sondern so dargestellt wie es war, mit Leistungsdruck durch die Eltern, Neid gegenüber den Freundinnen ihres Bruders, Männergeschichten, aber auch einer ganzen Menge Liebe, zur Familie, für lateinamerikanische Kultur, das Leben. Simone und die Autorin haben sich über den Bruder Andre kennengelernt und trotz all der Unterschiede haben die beiden sich gut verstanden – zumindest meistens – und viel miteinander erlebt. Doch die Autorin startet früher, schon bei der Familie der Eltern und ihren Entwicklungen, da die Kindheit und Entwicklung der Eltern einen nicht unwesentlichen Teil zur späteren Entwicklung zu enthalten scheint. Und dann rekonstruiert die Autorin das gesamte Leben ihrer Freundin. Durch Briefe, zahllose Gespräche (mit Familie, Freunden, aber auch Experten), Erinnerungen und vor allem Tagebucheinträge von Simone entsteht ein facettenreiches Bild vom Leben einer jungen Frau, die viel zu jung verstarb. Simone, aber auch die wichtigsten Bezugspersonen wirken, als kenne man sie. Und ich fand es auch super, wie die DDR und die Wende auf die Menschen gewirkt haben. Während die einen die endlose Freiheit schätzten, schien anderen eine Richtschnur zu fehlen. Mich hat die Suche nach den Ursachen überzeugt – auf ganzer Linie, zumal die gesellschaftspolitischen Umbrüche gekonnt eingebaut waren, das DDR-Leben authentisch dargestellt wurde und auch die besondere Familiengeschichte einiges bietet. Dieses persönliche, tiefgründige Buch wird lange im Gedächtnis bleiben. Und ich ziehe meine Hut vor der Autorin vor ihrer schwierigen Recherchearbeit, denn emotional war das ganz sicher kein Zuckerschlecken, denn nicht einmal für den Leser ist es immer leicht weiterzulesen, da man das Gefühl bekommt Simone und auch die junge Anja zu kennen. Zudem schafft sie es tatsächlich nicht wirklich zu werten, obwohl sie Dinge beim Namen nennt. Ich weiß nicht genau was mich an dem Buch so angezogen hatte, aber ich sah es und musste es haben – und meine Erwartungen wurden übertroffen.