sommerlese
Bewegend, interessant und fesselnd erzählter Roman "Süße Wunder" ist der zweite Band der Halloren-Saga "Salz und Schokolade" von Amelia Martin aus dem Ullstein Verlag. Halle an der Saale, 1905: Die Schokoladenfabrik von Ernst David steht vor einem strukturellen Umbruch, entweder David erweitert den Betrieb zu einer großen Manufaktur oder er bleibt ein kleines Traditionsgeschäft. Wenn sich doch nur seine Töchter für die Söhne der Konkurrenz interessieren würden! Am liebsten sähe es Ernst, wenn die ältere Tochter Cäcilie (Cici) den Chocolatier Julius ehelichen würde, der als Sohn des großen Kakaoimporteurs Leopold Mendel die Zukunft des Davidschen Betriebes sichern würde. Aber auch Julius hat eine andere Frau im Blick, die Salzwirkertochter Ida, die Vater Mendel auch nicht standesgemäß erscheint. Nachdem mir bereits Teil 1 "Der Geschmack der Freiheit" gut gefallen hat, wollte ich unbedingt auch den zweiten Band der Halloren-Saga lesen, der zeitlich vor dem ersten Band angesiedelt ist. Und ich muss sagen, auch hier hat die Autorin wieder alles gegeben, um ihren lebendig gezeichneten Charakteren Leben einzuhauchen, die Lebenswege spannend auszugestalten und mit dem damaligen Zeitgeist und dem üblichen Reglement im gesellschaftlichen Bereich auszufüllen. Die Geschichte lässt uns am gut situierten und sorgenlosen Leben der Töchter des Schokoladenfabrikanten David teilnehmen. Dabei wird deutlich gemacht, welche Etikette von jungen Frauen der gutbürgerlichen Gesellschaft erwartet wurde. Cici ist eine lebhafte junge Frau, die mehr vom Leben erwartet, als sittsam auf den von den Eltern gewünschten Bräutigam zu warten, während ihre Schwester Elise von einem Studium träumt. Vater David schlägt sich mit finanziellen Sorgen um die Zukunft seines Betriebes herum und erhofft sich eine gute Verbindung durch eine Verheiratung Cäcilies. Und auch beim Kakaoimporteur Mendel hängt die Weiterführung des Firmenimperiums von seinen Söhnen Julius und Friedrich ab. Amelia Martin zeichnet eine lebendige Abbildung vielfältiger Figuren aus allen Gesellschaftsschichten der damaligen Zeit und lässt dabei auch die existentiellen Schwierigkeiten und Lebensprobleme von Arbeiterfamilien eindringlich deutlich werden. Cäcilie möchte die große Liebe erleben, doch sie soll eine von den Eltern eingefädelte Ehe eingehen. Auf unterhaltsame und fesselnde Weise stellt die Autorin durch ihre unterschiedlichen Charaktere das vielschichtige Gesellschaftsleben mit tragischen Unfällen, Wünschen, Sorgen und Nöten dar und zeigt mit einzelnen Liebesbegegnungen etwas Romantik, die sich ungeachtet der elterlichen Wünsche entwickelt. Durch den flüssigen und einnehmenden Erzählstil kann man den Roman gut weglesen und wird durch die bildhaften Beschreibungen der Mode, Küche und Gebäude auch wunderbar unterhalten. Die Figuren wirken authentisch und sehr lebendig und spielen eine passende Rolle vor dem historischen Hintergrund, der auch die Geschehnisse des 1. Weltkriegs einbezieht. Die Entwicklung der Schokoladenmanufaktur bildet die Rahmenhandlung des Buches und auch über die Zunft der Halloren wird hier erzählt. Wer den ersten Band der Buchreihe noch nicht kennt, sollte ihn unbedingt lesen. Ein kurzweiliger, zeitbeschreibender Roman, der mich mit den unterschiedlichen Schicksalen gefesselt und gut unterhalten hat.