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Buchdoktor

Posted on 17.6.2023

Linda Becker und Julian Wenzel gehen in ihrem Kindersachbuch der Frage nach, wer und wie Jugendliche sein wollen und welche Identitäten es außer männlich und weiblich gibt. Sie geben ihren Leser:innen mit Begriffserklärungen, Statistikwerten, fiktiven Interviews und Arbeitsaufgaben („stelle eine Collage her, …“) ein Nachschlagewerk zum Thema Identität und sexuelle Orientierung in die Hand. Erklärt wird z. B. divers, cis, trans, inter, pan- und asexuell. Es geht u. a. um Rollenzuschreibungen, geschlechtsangleichende Operationen, Regenbogenfamilien, ob und wie Jugendliche sich outen und um eigene und fremde Mobbingerfahrungen. Die farbenfrohen, teils ganzseitigen Illustrationen von Birgit Jansen transportieren ein entschlossenes Selbstbewusstsein ihrer Figuren, ich finde sie sehr ansprechend. Das Layout wirkt ebenfalls farbenfroh, könnte für ungeübte Leser jedoch zu unruhig sein. Sprachlich hat mir das Buch nicht gefallen. Die Ansprache der Zielgruppe ab 11 Jahre ist teils unpräzise, wirkt bemüht und drückt sich in kindertümelnden Steigerungsformen aus (ganz, ziemlich, richtig). Dass auch Journalisten in Printmedien diese Angewohnheit haben, sollten sich Kinderbuchautor:innen nicht zum Vorbild nehmen. Inhaltlich wirken Text und Interviews auf mich der Altersgruppe nicht angemessen, weil sie die erwachsene Perspektive kaum auf die Lebenssituation minderjähriger, schulpflichtiger Jugendlicher herunterbrechen. Wer soll sich von Vereinfachungen und Idealisierungen komplexer Vorgänge ernstgenommen fühlen? (Alle werden dich unterstützen, homosexuelle Paare können Kinder adoptieren, bei Mobbing wendest du dich an eine nette Lehrperson). Bedarf an Sachbüchern für Jugendliche zu queeren Themen besteht. Ich wünsche sie mir allerdings im Layout weniger unruhig, sprachlich präziser und weniger kindertümelnd.

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