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Yvonne Franke

Posted on 9.6.2023

Wenn ein Buch mich besonders tief beeindruckt hat, fällt mir immer wieder auf, dass sich meine Sprache anschließend, beim darüber Schreiben, diesen neuen Eindrücken beugt. Dass ich versehentlich die Sprache nachahme, die mich gerade bei der Lektüre so vereinnahmt hat. Dann muss ich das erstmal wieder abstreifen und mich wiederfinden, damit aus dem zu schreibenden Text etwas Eigenes werden kann. Heute, am Morgen, als ich mir meine Notizen zu "Treue und edle Nacht", dem neuesten Werk der 2020 mit dem Literatur Nobelpreis ausgezeichneten Lyrikerin Louise Glück, ansah, musste ich schmunzeln. Ich hatte einzelne Beobachtungen in versähnlichen Portiönchen notiert. Und diesmal finde ich es ganz hübsch und möchte gar nichts daran verändern. Ich schreibe es Euch genau so ab und dann habt Ihr Raum, Euch selbst etwas daraus zurecht zu spinnen. Ein Experiment. Warum nicht, oder? Also: Das Leben an sich, das Altern, als Abenteuer – eine Reise im Stillstand. Die Verknüpfung von Liebe und Tod. Die Verknüpfung von Sprache und Freude. Das Neue in der Vergänglichkeit. Die Pflichten des Jenseits. Sie schreibt Vogelgesänge, die sich durchsetzen könnten, wie das Kikeriki des Hahns in der Kindersprache. Nur dunkler. Die Abwesenheit immer mitgedacht. z.B. hier: " Meiner Mutter Stimme ist es, die du hörst, oder ist es nur der Klang, der entsteht, wenn der Wind durch Bäume weht, denn welcher Klang entsteht, wenn er nichts durchweht?" Der Nebel der frühen Kindheit gleicht dem Nebel, in dem sich die Toten im Jenseits treffen. Der Kreis schließt sich im Unsichtbaren. (Schluss) Kindergedanken – die verhasste Zimmerdecke, die den Blick zum Himmel versperrt. Und dann dieses unendliche Heranwachsen! Und überall kann sich ein Zuhause auftun. Man weiß nicht wann – man muss die Augen offen halten. Und eigentlich schreibt man ständig über Mutter und Vater, weil sie in jedem "ich" stecken. Auf dem Friedhof über Eltern laufen. Worte und Nebel begegnen sich – und darin Freude und Jenseits? Rotkäppchen steigt in den schreienden Zug. "Treue und edle Nacht" ist zweisprachig bei Luchterhand erschienen. Die deutsche Übersetzung stammt von Uta Gossmann.

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