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sursulapitschi

Posted on 7.6.2023

Wie fühlt man sich, wenn man im falschen Körper steckt? Johann ist als unglückliches Mädchen aufgewachsen und hat Jahre gebraucht, bis ihm klar wurde, dass er ein glücklicher Junge sein könnte und seine Transition in Angriff nahm. Das erzählt er uns hier sehr offen, voller Schmerz, voller Wut und Traurigkeit, voller schnoddriger Poesie und mit triefendem Sarkasmus. „Wir sitzen auf eine Wiese, Luise und ich. Es ist heiß, mir sticht trockenes Gras in den Hintern. Das Sitzen auf Wiesen wird generell überschätzt, finde ich. Irgendwas zwickt immer. Vielleicht ist das Sitzen auf einer Wiese eine sehr gute Metapher für das Leben. Es sieht aus der Ferne hübsch aus aber bei genauerer Betrachtung und längerem Verweilen fängt es an zu pieksen und zu jucken.“ Solche Passagen sind toll, höchst originell, klug und treffend. Das Buch ist ein einziges Gedicht. Allerdings wird es auf Dauer dann ein bisschen viel. „Die Luft verspricht, was der Tag nicht halten wird. Für Umtriebigkeit ist mir zu schlecht. Die Hitze stapelt sich. Über dem Meer flimmert es, unten auf der Straße werden die letzten Menschen und der Müll der vergangenen Nacht zusammengekehrt. Der Morgen knackt mit den Gelenken.“ Eigentlich kann man jeden wunderbaren Satz zitieren, notieren und einrahmen, nur zum Luftholen kommt man dabei kaum. Was Johann hier erzählt geht einem nahe, seine Verzweiflung ist in jeder Zeile spürbar. Er fühlt sich unverstanden und ausgegrenzt und das mit Recht. Dieses Buch gibt einem das Gefühl, einem Betroffenen direkt in die Seele zu blicken. Das Hörbuch liest der Autor selbst und macht das wirklich gut. Er vermittelt den Eindruck, dass Johann tatsächlich selbst erzählt und liest diese poetische Sprache in genau dem richtigen Tonfall. Es dauert 9 Stunden, 21 Minuten und ist ein eindringlicher Augenöffner.

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