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mabuerele

Posted on 6.6.2023

„...In nicht einmal drei Stunden würde sie als Kurier einen Bus der Linie zwei besteigen. Sie würde Waffen zu den Soldaten bringen, die im belagerten jüdischen Viertel hinter den alten Mauern der Jerusalemer Altstadt nicht aufgaben...“ Rachel Lubetkin hat das KZ überlebt und ihren Großvater und den kleinen Bruder in Jerusalem gefunden. Doch sie ist innerlich zerrissen. Die psychischen Wunden sind noch nicht geheilt und sie hat sich selbst nicht vergeben. Sie fühlt sich schuldig, gerade weil sie überlebt hat. Ihre Familie weiß nicht, dass sie in der Altstadt bleiben wird. „...Ich bin es selbst, die mich verurteilt, Vielleicht verstehst du das nicht. […] Ich will keinen Mann lieben, um ihn für mich zu haben...“ Auch bei dem zweiten Teil der Reihe handelt es sich um eine fesselnde Geschichte. Der Schriftstil sorgt für einen hohen Spannungsbogen und bringt die politischen Probleme gekonnt auf den Punkt. Die Spannungen zwischen den Volksgruppen sind mit den Händen greifbar. Die Araber sind gegen eine Teilung des Landes. Die jüdische Bevölkerung aber ist in sich gespalten. Während viele für den Erhalt und ihr Leben in der Altstadt kämpfen wollen, paktieren führende Rabbiner mit den Muftis. Das Gespräch zwischen Ellie, die für eine renommierte amerikanische Zeitung fotografiert, und Rachel bringt das Dilemma der Juden auf den Punkt. „...Ellie, ich sage dir, wenn meinem Volk nicht dieser Ort, nicht eine eigene Heimat zugebilligt wird, dann gibt es keinen Ort auf der Welt, an dem es sicher sein kann. Und du musst dies allen vor Augen führen...“ Noch ahnt Rachel nicht, dass sie ein Mann aus ihrer Vergangenheit gesehen hat. Er will nachholen, was ihm damals verwehrt geblieben ist. Einst aktiver Nazi dient er sich jetzt den Muftis an. Er ist ihr Mann fürs Grobe und organisiert raffinierte Attentate. Doch auch von jüdischer Seite werden Bomben inmitten der Menschenmenge gezündet. In jedem Fall trifft es Unschuldige. Gekonnt ins Geschehen integriert wird Rachels Vergangenheit. Nach und nach wird deutlich, was sie erlebt und durchlitten hat. Und dann gibt es noch die Besatzungsmacht, die britischen Soldaten. Eine Handvoll von ihnen steht auf der Seite der Juden. Viele aber können nicht vergessen, dass ihre Kameraden durch jüdischen Terrorakte gestorben sind. Bei der Durchsuchung einer jüdischen Unterkunft nehmen sie nicht einmal Rücksicht auf die schwangere Leah. „...Leah dagegen blieb still liegen, wo sie hingefallen war, und hielt sich mit den Händen den Bauch. „Ihr seid keinen Deut besser als die Nazis“, sagte Schimon ruhig...“ Recht hat er! Sind sie dafür je zur Rechenschaft gezogen worden? Dass dieser Satz Schimons Todesurteil sein würde, weiß er nicht. Er wird sein Kind nie sehen. Sehr detailliert wird beschrieben, wie es gelingt, Nahrungsmittel, Medikamente und Waffen in die Altstadt zu bringen. Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es arbeitet eine Stück Geschichte auf und zeigt, wie tief manche Wunden waren.

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