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gwyn

Posted on 30.5.2023

Tropische Wälder in der Antarktis – zwei Meter große Pinguine mittendrin. Ein Wasserfall von unvorstellbarer Größe, der das trockene Mittelmeerbecken mit Leben füllt. Eine Python, die in der kenianischen Savanne frühe Verwandte des Menschen auf Bäume jagt. Die Vergangenheit ist lebendig - und sie hinterlässt Spuren. Der Paläontologe Thomas Halliday erzählt spannend in sechzehn Kapiteln über die längst vergangenen Urzeiten, erklärt, wie Ökosysteme entstehen und verschwinden, wie alte Spezies durch neue verdrängt werden, wie Lebewesen wandern, sich anpassen und entwickeln. In Form vom Nature-Writing reist Thomas Halliday mit uns durch 500 Millionen Jahre Erdgeschichte wie Pleistozän, Miozän, Paläozän – durch sieben Kontinente – und erklärt, wie sich die Welt von damals bis heute verändert hat. Die Welt im klimatischen Wandel, Aussterben von Spezies und Arten ist nichts Neues, auch ohne das Mitmischen des Menschen. Der Autor stellt auf spannende Weise Tiere und Pflanzen vor, zusagen als würde dies alles gerade jetzt passieren. Genau das macht das Buch so interessant, seine Lebendigkeit und der Plauderton. Die Verhaltensweisen von Lebewesen werden verständlich beschrieben, ihre Größenverhältnisse, Nahrung usw. – ein Sachbuch, vollgespickt mit Fachwissen, das beim Lesen keinesfalls ermüdet. Paläontologen können heute aus Fossilien eine Menge Informationen herauslesen, die hier süffig dargestellt werden. 16 Erdzeitalter, 16 Kapitel. Zu Anfang jedes Kapitels ist eine Karte gesetzt, um die Bewegung der tektonischen Platten und die Veränderungen, die daraus resultieren, darzustellen. Die Erde ist in Bewegung. Eis- und Warmzeiten veränderten das Klima und verändern Fauna und Flora. Nach jedem Massensterben entstehen neue Spezies, neues Leben. «Blickt man am Ende des Miozens, mehr als fünf Millionen Jahre vor der Gegenwart, von Gargano [nördliches Vorgebirge Apuliens an der Ostküste Italiens] hinaus in die Ferne, kann man kaum glauben, dass sich in gut einem Jahr wirbelnde Salzwasserfluten an diesem Stein brechen werden. Noch schwerer fällt die Vorstellung, dieser Berg werde einmal allein und stolz aufragend, dort Boote entsenden, wo jetzt noch nichts als Luft ist, dieser Himmel werde ein Mittelpunkt von Handel und Kriegen werden und jahrtausendelang Menschen, Waren, Armeen und Ideen beherbergen. Auf der vom Mittelmeer umgebenen Felskuppe, dem Kalksteinvorgebirge, werden Fischerdörfer entstehen.» Das Mittelmeer füllte sich vor 5,333 Millionen Jahren nach seiner Austrocknung erneut mit Wasser. Die Plattentektonik hatte die sogenannte Straße von Gibraltar vom Atlantik getrennt und es in eine salzverkrustete Tiefebene mit bis zu 80 Grad Celsius Lufttemperatur umgewandelt. Dann wurde durch eine erneute Plattenverschiebung die Meerenge wieder geöffnet. Vier Monate lang flutete Atlantikwasser herein, bis zur Höhe von Mallorca, denn der Boden des Mittelmeers hat sehr verschiedene Höhen und Tiefen. Vier Monate später ergoss sich das Wasser südlich von Sizilien über die Höhen und stürzte wie ein Wasserfall auf fünf Kilometer Breite 1500 Meter in den Abgrund. Nach circa einem Jahr lagen dann auch Griechenland und Ägypten am Meer – das Mittelmeer führte wieder Wasser. Sollte das Mittelmeer jemals wieder abgeklemmt werden, würde es ziemlich schnell verdunsten. Am Ende des Buchs mahnt Halliday, welche Veränderungen menschliches Handeln zu einer Katastrophe führen kann: Artensterben, Meeresverschmutzung und Klimawandel, was eine tiefgreifende Wirkung auf unsere Ökosysteme bedeuten würde. Ein wundervolles Sachbuch, komplex, aber verständlich geschrieben, an machen Stellen in epischem Stil. So sollte man Schulbücher verfassen ... Empfehlung! Thomas Halliday ist Paläontologe und Evolutionsbiologe. Er hat ein Leverhulme Early Career Fellowship an der Universität von Birmingham inne und arbeitet zudem für das Natural History Museum. 2016 erhielt er die John C. Marsden Medaille der Linnean Society, 2018 gewann er die Hugh Miller Writing Competition.

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