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gwyn

Posted on 30.5.2023

2001, kurz vor dem Anschlag 9/11: Im Chinesischen Meer kreuzt eine Luxusyacht, am Steuer der berühmte Seemann Corto Maltese, der unter die Piraten gegangen ist. Er fährt im Auftrag einen Mann zu einer Jacht, die auf dem Meer ankert. Doch seinem Gast geht es nicht um Schmuggel, wie Corto feststellt, sondern um einen Auftragsmord. Etwas, was Corto gegen den Strich geht! So rettet er den Chinesen, der ein wichtiges Buch bei sich führt, flieht mit ihm. Dr. Fukuda hat in dem Büchlein seine Notizen zu einem Schatz gesichert. Corto bringt den alten Mann nach Tokio, wo er während einer Kabuki-Aufführung ermordet wird. Corto nimmt das Buch an sich, macht sich auf die Suche nach dem mythischen Goldschatz, der in Peru versteckt sein soll – doch auch die Terrorgruppe Black Ocean sowie ein Drogenkartell sind hinter diesem Schatz her. Handelt es sich um den Goldschatz der Inkas? Die Sache wird brenzlig – doch Frauen retten mehrfach Cortos Leben, eine japanische Geheimagentin, die Inka-Heilerin Raua und die Kriegsreporterin Freya. Erstmals erschien Corto Maltese in der Serie Una ballata del mare salato (Südseeballade) 1967 – die Geschichte spielte zu Beginn des Ersten Weltkriegs im Pazifik, wo sich Piraten mit den Kriegsmarinen des Deutschen Reiches und Großbritanniens herumschlugen. 1970 zeichnete Hugo Pratt eine Serie von Kurzgeschichten für das französische Comicmagazin Pif Gadget. 1974 kehrte er mit dem Album Corto Maltese en Siberie zu Langgeschichten zurück. Die fiktive Figur Corto Maltese ist ein Abenteurer, ein Rebell und Kapitän ohne Schiff, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts lebt. Er ist ein Schatzsucher, gehört keiner ideologischen oder politischen Gruppe an, macht sein eigenes Ding, wobei er sich oft auf die Seite der Entrechteten stellt. Seine Reisen führen ihn auf alle Kontinente, einschließlich des untergegangenen Mu und im Traum auch zum Gral. Seine Spur verliert sich im Gewimmel des Spanischen Bürgerkriegs. Vittorio Giardino behauptet, er wäre am 9. Februar 1937 in Malaga hingerichtet worden. Laut Hugo Pratt allerdings verbringt er seinen Lebensabend bei Pandora, womit sich der Kreis zur Südseeballade schließt. Mit Pratts Tod 1995 ruhte die Serie zunächst. «‹Warum jagst du immer hinter Sachen her, die es gar nicht gibt?› ‹Und du, warum machst du immer Filme über Sachen, die keiner sehen will?›» Bastian Vivès hat die Figur Corto Maltese sozusagen neu erfunden. Das Grundgerüst blieb: der gutaussehende Held, ein Rebell, der sich nach Freiheit sehnt, der seinen eigenen Weg geht, stets in Bewegung – immer auf der Suche nach einem Schatz. Die Figur, Archetyp des Abenteurers, ist angekommen im 21. Jahrhundert, er trifft auf taffe selbstbewusste Frauen, die den Held retten, Frauen agieren auf Augenhöhe und werden entsprechend von Corto behandelt. Er trägt Cargojacke und Baseballkappe. Radikale Umweltschützer, die gegen Hochseefischer agieren, eine südamerikanische Drogenmafia, eine ökologisch engagierte Filmemacherin und Colin Powell, den er an dem Tag trifft, als Flugzeuge, die in die Twin Towers von New York rasen, sind in die Geschichte eingeflochten. Corto Maltese, the lonesome Woolf, der sich schnell verabschiedet, immer auf der Reise, immer in Abenteuer verwickelt, der sich nicht vereinnahmen lässt, aber sich spontan gern für die gerechte Seite einsetzt – um dann wieder zu verschwinden. Eine feine Noir-Heldengeschichte in Comicform. Hugo Pratt hatte seine Comics in Pastelltönen und Schwarz-Weiß koloriert, mit detaillierten Hintergründen, von denen es am Ende des Buchs ein paar Illustrationen als Zugabe angehängt sind. Bastien Vivès arbeitet fast ausschließlich mit verschiedenen Grautönen plus Schwarz-Weiß. Corto Maltese ist ständig in Bewegung und genau das bringt Bastien Vivès grafisch auf den Punkt, wobei er auf viel Hintergrund verzichtet. Diese Bewegung und die des Wassers, gelingen ihm besonders gut. Ein Heldenepos im modernen Stil, eine spannende Noir Graphic Novel. Martin Quenehens Interessen und Fähigkeiten sind breit gefächert. Er schreibt Sachbücher etwa über die Merowinger oder die Geschichte des Sozialen Wohnungsbaus, gestaltet Rundfunksendungen für France Culture etwa über Johanna von Orleans, Tupac oder Ping Pong. Er verfasste einen Roman über einen Lehrer in einem Problemviertel und den Krimi «Quatorze Juillet», den Bastien Vivès illustrierte. Bastien Vivès, geboren 1984 in Frankreich, studierte Grafik und Animation an der École des Gobelins. Bereits in jungen Jahren ist sein OEuvre umfangreich und beeindruckend: etwa mit «In meinen Augen» oder «Für das Imperium» zeigt er eine enorme stilistische Bandbreite auf hohem Niveau. Für «Der Geschmack von Chlor» erhielt er 2009 in Angoulême den Preis für den Besten Nachwuchskünstler. Bastien Vivès lebt und arbeitet in Paris.

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