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marcello

Posted on 30.5.2023

Bei Fantasy greife ich wahrlich nicht bei allen Büchern zu, weil ich auch immer wieder die Erfahrung mache, dass mir gewisse Geschichten etwas zu komplex sind (schlechtes Vorstellungsvermögen und so), weswegen ich über all die Jahre wählerischer geworden bin. Bei „Stealing Infinity“ von Alyson Noël fand ich das Cover einfach sehr überzeugend, aber auch der Inhalt klang wahrlich nicht schlecht. Also habe ich mich verführen lassen. Das hat mich aber gelehrt, man kann noch so wählerisch sein, daneben greifen kann man deswegen immer noch. „Stealing Infinity“ beginnt auch ziemlich gut, denn die ersten Abenteuer, die Protagonistin Nat erlebt, sind gleich spannend und werfen viele Fragen auf. Zwar ist mir sogleich aufgefallen, dass die Kapitel auffallend kurz sind, aber das treibt zum Einstieg gut die Geschichte, denn man will ja unbedingt mehr wissen, da ist das eine gute Kombination. Der Bruch in der Geschichte kam aber relativ schnell für mich und zwar in dem Moment, als Nat an der Gray Wolf Academy landet. Vom Marketing her sind Dark-Academia-Fans angesprochen worden. Zwar bin ich nicht explizit ein Fan davon und das war also nicht mein Hauptargument, aber als Harry Potter-Liebhaber habe ich wahrlich nichts gegen den kompromittierten Internatsalltag. Dementsprechend war ich natürlich auch neugierig, was uns jetzt wohl alles erwartet: was sind die Fächer? Wie sieht der Alltag aus? Worum geht es bei der Akademie? Welche Prüfungen sind erwartet? Was ist das große Ziel des Buchs oder gleich der ganzen Reihe? Leider hat mir der Verlauf der Geschichte relativ schnell gezeigt, dass es nahezu nichts davon zufriedenstellend aufklären will. Wir lernen für eine Akademie einen relativ kleinen Figurenzirkel kennen, wobei sich hier gleich ein Problem gibt, denn man kann sehr offensichtlich niemandem davon trauen. Es gibt keine Figur, die als eine Art Kompass fungiert, an der man sich ausrichten kann. Das ist deswegen so schade gewesen, weil auch Nat diese Aufgabe irgendwann nicht mehr erfüllen kann, dazu später aber mehr. Weiterhin ist der Alltag an der Akademie nicht ausgefüllt. Wir bekommen keinen wirklichen Eindruck davon, wie das gesamte Gelände aussieht. Wir wissen nicht, wie die einzelnen Tage für Nat mit Training ablaufen. Nachdem nach einem Gespräch mit dem Leiter Arthur feststeht, dass sie einiges überspringen darf, bekommen wir nichts, aber wirklich nichts von dem Alltag präsentiert. In diese Frustration hinein zeigt sich aber auch zunehmend, dass wir nahezu nichts darüber erfahren, wofür die Akademie steht. Nat reist wie wir mit einem riesigen Fragenkatalog an, aber sie wird nur hingehalten, von allen Figuren und sie lässt das mit sich machen. Ab diesem Punkt wurden dann auch die kurzen Kapitel für mich zum Problem, denn sie konnten null verschleiern, dass in den Kapiteln eigentlich nichts passiert. Null Antworten, null mehr Verständnis, was die ganze Geschichte eigentlich soll. Auch wenn solche kurzen Kapitel normalerweise einladen, immer noch schneller zu lesen, so ist das bei mir nicht aufgegangen, denn gerade im ersten Drittel habe ich mich zu sehr daran aufgehangen, warum jetzt schon wieder das Kapitel vorbei ist, obwohl doch gar nichts passiert ist. Das ist später weniger geworden, aber das ändert nichts an der grundlegenden Kritik. In die Mängel des Inhalts hinein hat mich Nat dann auch verloren. Denn obwohl sie genauso viele Fragen wie wir hat, sorgt das bei ihr aber nicht für Skepsis, stattdessen hat sie etwas sehr Oberflächliches an sich und sie will unbedingt dazugehören. Das sorgt bei ihr dafür, dass nie Schutzwälle hochgehen, sondern sie sie im Gegenteil immer fallen lässt und alles mit sich machen lässt. Ja, sie ist eine Kämpferin und ja, sie lernt auch irgendwann taktisch geschickter zu sein, aber sie bleibt bis zum Ende eine Marionette. Diese Figurenkritik hat aber auch viel mit der Liebesgeschichte zu tun, die uns geboten wird. Ob es wirklich eine Liebesgeschichte ist, das muss wohl jeder für sich selbst entscheiden, aber ich fand den Kontext mit Nat und Braxton für die Geschichte total unnötig. Man hat da einfach gemerkt, dass die Autorin einen Katalog hatte, wo die Liebe noch abgehakt werden musste, also quetschen wir sie mal schlecht aufgebaut dazwischen. Da man wie gesagt nicht einer einzigen Figur trauen kann, gehört auch Braxton dazu. Auch wenn es typische Momente gab, die eigentlich das Herz höher schlagen lassen müssten, ist nichts bei mir passiert, denn es war zu gezwungen und zu dominant eingebaut. Angesichts der vermeintlichen Enge der Beziehung hätte man sich spätestens hier gewünscht, dass Nat auf mehr Antworten pocht. Braxton füllt einige Lücken, aber nicht genug. Irgendwann nimmt wenigstens die Dichte der Erzählung zu, so dass ich inmitten meiner Enttäuschung dann doch durch das Geschehen getrieben wurde. Es gab einige spannende Szenen, aber die konnte ich nicht wirklich feiern, wegen alle Drumherum. Vor allem das zentrale Thema wurde sehr stiefmütterlich behandelt. Da hätte es viel mehr Kontext gebraucht. Am Ende wird dann auch ein Ende eingebaut, das null einem Cliffhanger ähnelt. Man könnte meinen, die Autorin will, dass man den zweiten Teil auch lesen will. Aber der Abschluss hat mir das nicht gezeigt. Das war dann die letzte Enttäuschung, die dafür sorgt, dass ich die Reihe nicht weiterverfolgen werde. Ich bin selten so hingehalten worden und das muss nicht auch noch belohnt werden. Fazit: „Stealing Infinity“ ist eine sehr große Enttäuschung für mich. Zwar ist der Schreibstil flüssig und alles, aber die Geschichte ist dünn, es ist null Akademie-Alltag, es gibt Millionen Fragen, aber vielleicht zehn Fragen. Das Buch ist eine große Hinhaltetaktik und dazu gibt es nicht mal Figuren, die groß sympathisch sind. Für mich ist diese Reihe mit dem Einstieg auch schon wieder beendet.

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