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gwyn

Posted on 29.5.2023

«Der Zauber des Anfangs… wieso kann er nicht immer bleiben? Wieso kann man sich nicht immer um diese Kleinigkeit fremd bleiben, damit man die wahre Nähe nicht verliert?» Claras und Elias treffen sich durch Zufall bei einer Hausbesichtigung. Beide fühlen sich sofort zueinander hingezogen, können das nicht einordnen, haben bisher DIE große Liebe nicht erlebt. Die Fotografin Clara ist Witwe – sie war zwar verheiratet, hatte ihren Lebenspartner nie richtig geliebt, ihn nur kurz vor seinem Ende aus Mitleid geheiratet. Elias, ein Schauspieler, hatte viele Beziehungen, doch nichts auf Dauer. Durch die Begegnung mit Clara wird ihm klar, dass er seine derzeitige Freundin auch nicht liebt, beendet die Beziehung. Clara, neugierig auf Elias geworden, besucht eine Theateraufführung – Elias erkennt sie unter den Zuschauern und geht auf sie zu. So beginnen sie eine Beziehung. Ganz vorsichtig, immer wachsam, schleichen sie umeinander herum. Doch irgendwas Besonderes löst der eine im anderen aus. «Man denkt immer, sie trifft einen nicht. Und dann trifft sie einen doch, diese eine große Liebe.» Die große Liebe gibt es nicht? Ein Feuer brennt schnell, doch es ist ebenso schnell erloschen, denn es kommt auf so viel mehr an. Clara ist älter als Elias – das kann nicht gut gehen. Doch beide stellen fest, dieser andere Mensch scheint das Puzzleteil zum Ganzen zu sein. Es gibt sie, diese Liebe. Ewald Arenz beschreibt in wechselnder Perspektive diese Annäherung, die wachsende Intimität, die Zweifel der beiden; das alles mit viel Feingefühl. «‹Scheiße!›, sagte Mama laut. Clara hätte beinahe losgelacht. Die erste logische Antwort seit Monaten. Ihre Mutter sprang auf und rannte fast bis zum Zaun. Warf sich dagegen. Dann kniete sie sich hin und versuchte, den Drahtzaun aus der Erde zu zerren, die Zunge vor Anstrengung zwischen den Zähnen. So hatte sie schon vor dreißig Jahren ausgesehen, wenn sie alleine ein Gartentor aushängte oder die Koffer für den Urlaub in den Wagen schleppte. Claras Vater war nie eine Hilfe gewesen, er kam immer zu spät für Mamas Ungeduld.» Parallel dazu wird Claras Problem mit ihren Eltern beschrieben. Der Vater, der nicht mehr alles geregelt bekommt und ihre demente Mutter, die gern ausbüchst – auch mit dem Auto. Eine große Geschwindigkeitsüberschreitung, von der Polizei erwischt – Clara muss Mama von der Wache abholen. Es wird immer schwieriger, mit der Mutter umzugehen, so dass sich die Familie entscheiden muss, wie es weitergeht. Elias und Clara haben genaue Vorstellungen von ihrem Leben, wollen keine Abstriche machen, keine Kompromisse eingehen. «Aber da ist dieses kleine Eigentlich». Und als die arbeitslose Clara einen Job in Hamburg annimmt, beenden sie ihre Geschichte, die erst kürzlich begonnen hatte. Elias will nicht umziehen und Clara hat keine Lust auf eine Wochenendbeziehung. So trennen sich die beiden. Kaum in Hamburg angekommen, tritt für Elias eine Katastrophe ein ... Clara erfährt davon. «Da wird’s dann schwierig, wenn zwei Menschen aufeinanderprallen, die sagen: ‹Ja, wir wollen einander›. Dann ist die Frage da: ‹Aber können wir uns auch mit unserer Geschichte lieben?›» Beide sind lange dem Teenageralter entwachsen, bringen eigene Vorstellungen für das Leben mit. Und da geht nichts drüber. Zwei starke Charaktere, die letztendlich nichts abgeben wollen. Dann lieber gar nicht. Ein Buch an die 400 Seiten. Bis hierhin plätschert die Geschichte ein wenig dahin, hätte straffer sein können. Trotz aller feinen Nuancen, die der Roman beinhaltet, war es mir bis dahin ein wenig farblos. Doch nun tritt das Unglück ein und alles verändert sich. Es kommt Schnelligkeit in den Plot. Es fing gut an, die Taschentücher standen bereit. Doch dann landete Ewald Arenz leider in der Schnulzfalle – autsch – aber so heftig. «Der große Sommer» von Ewald Arenz hatte mir gut gefallen. Doch hier tritt er trotz aller feiner Sprache und Empathie für seine Charaktere oft auf der Stelle und das Ende war für mich an die Wand gefahren. Leider. Der Autor hatte sich wahrscheinlich vorgenommen, auf keinen Fall in Klischees zu rutschen. Doch das macht er am Ende mit allen Protagonist:innen, einschließlich der Nebenfiguren. Schade. An «Der große Sommer» langt dieser Roman bei weitem nicht heran. Aber empfehlenswert für Leser von niveauvollen Romanzen. Ewald Arenz, 1965 in Nürnberg geboren, hat englische und amerikanische Literatur und Geschichte studiert. Er arbeitet als Lehrer an einem Gymnasium in Nürnberg. Seine Romane und Theaterstücke sind mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden. Seine Romane «Alte Sorten», «Der große Sommer» und «Lieblingsbuch der Unabhängigen» standen wochenlang sowohl als Hardcover wie als Taschenbuch auf den Spiegel-Bestsellerlisten. Der Autor lebt mit seiner Familie in der Nähe von Fürth.

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