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gwyn

Posted on 29.5.2023

Der Anfang: «Auf dem Wochenmarkt in Conquet-sur-Mer, als Zweite in der Schlange am Gemüsestand von Madame Annie, erkannte Caroline, dass sie keine Ahnung hatte, wie ihr Leben weitergehen sollte.» Zwei Pärchen und ein Skipper 10 Tage auf einer Segeljacht in beengtem Raum – wegzulaufen nicht möglich ... ein feines Kammerspiel. Andreas spürt, dass seine Ehe nicht mehr funktioniert, seit die Tochter aus dem Haus ist. Und er wünscht, dass es mit Caroline so ist wie früher – er liebt sie, will seine Ehe retten. Er bemüht sich, alles richtig zu machen, sie zu überraschen. Da sie die schwedischen Schären liebt, hat er einen Segeltörn gebucht. Doch er hat auch Daniel und seine Lebensgefährtin Tanja eingeladen. Er hat vor, den jungen Anwalt zum Partner in seiner Wirtschaftskanzlei zu machen. Eric, der Inhaber des Boots und seine Freundin bilden als Team der Jacht das Sextett. «Niemand glaubte mehr an Paradiese.» Das erste, kurze Kapitel beginnt nach dem Segeltörn, und ist so gesetzt, dass sofort klar ist, dass dieser Roman ein Drama beinhaltet. Gleich geht es zurück an den Anfang der Reise. Caroline, Chefredakteurin einer großen Modezeitschrift, wurde von der Reise überrascht. Ihr ist nicht ganz klar, weshalb Andreas auch Daniel und Tanja eingeladen hat, die sie nicht kennt. Ein junger Anwalt, der kuschen muss, um Partner zu werden? Hat Andreas Angst, mit ihr alleine zu sein? Tanja und Daniel sind einerseits aufgeregt, sie sind nochnie gesegelt, aber andererseits ebenso verschüchtert. Kennenlernen ... will Andreas Daniel prüfen? Besonders Tanja ist verunsichert, denn sie arbeitet als Altenpflegerin, fühlt sich in der studierten Gesellschaft unwohl – Andreas und Carolin, zwei bedeutende Menschen in der Frankfurter Elite. Und nun kommt auch noch eine Mail von Eric: seine Freundin ist krank, er wird sie allein begleiten. «Sie hätte mit ihm darüber sprechen können. Aber stattdessen hatte sie ihn ausgeschlossen. Sich immer weiter von ihm entfernt, und nun gab es kein Zurück mehr.» Man trifft sich am Boot, der erste Abend ist gelungen – alles nicht so schlimm wie befürchtet. Die Sonne lacht am ersten Morgen, Eric gibt eine Einweisung an Bord und auf geht es. Segeln ist anstrengend, aber die Crew kommt gut zurecht, läuft abends den ersten Hafen an, es gibt frischen Fisch, die Stimmung ist gelockert. Doch sie kippt ein wenig, als ein wichtiger Klient der Kanzlei unter Druck gerät, bei ihm eine Hausdurchsuchung stattfindet. Daniel meint, er hätte recht gehabt, man hätte in dieser schwierigen Situation um den Klienten herum nicht fahren dürfen. Er will umkehren. Doch Andreas ist sicher; die Staatsanwaltschaft klappert laut, wolle verunsichern, die werden nichts finden. Alles ist gut, alle bleiben an Bord. Eric befiehlt an Bord- er ist der Skipper – zu gehorchen fällt Andreas schwer – und Caroline hat ein Auge auf den athletischen Körper von Eric geworfen ... Daniel muss schlucken, sich seinem Chef unterordnen, der zu allem Übel seine Freundin anbaggert. Die See wird rauer, Regen tauscht sich gegen Sonne ein und die Stimmung an Bord brodelt mit den Wolken um die Wette. Kristina Hauff ist Seglerin, und so beschreibt sie das Setting glaubhaft und nimmt uns mit auf einen Segeltörn, beschreibt die Jacht, alle Handgriffe, detailiert mit allen Sinnen, so dass man als Lesender das Gefühl hat, mittenmang zu sitzen. Auch wenn ich real nie einsteigen würde, die Bootsstege, das Plankenklettern, die Waschräume im Hafen, der schwankende Schritt, die Seekrankheit – all das selbst Erlebte war mit einem Plopp im Kopf wieder da, aufgefächert, fein beschrieben. Die Perspektive des allwissenden Erzählers wechselt von Kapitel zu Kapitel zwischen vier Personen, Eric ist herausgenommen, ein geheimnisvoller Mann, verschlossen, der etwas zu verbergen hat. Aber auch über die anderen Handelnden wirft die Autorin Häppchen für Häppchen an Informationen in den Ring, steigert die Dramatik zu einem spannenden Plot. Das Aussteigen ist irgendwann nicht mehr möglich – und an diesem Punkt kippt die Stimmung ins Düstere; Revier- und Machtkämpfe finden auf mehreren Ebenen statt. Wie weit wird hier jeder gehen? Auch für den Lesenden ist Absprung schwer möglich – weiterlesen – zu spannend, um das Buch wegzulegen. Psychologisch war mir das ein oder andere nicht ganz nachvollziehbar und das Ende – hmmm. Vielleicht ein wenig too much – aber noch in Ordnung. Dieser zeitgenössische Roman ist spannend geschrieben, eine Drama und ein Abenteuerroman. Die Figuren hätten ein wenig mehr Tiefe, Schliff und Glaubwürdigkeit haben können. Auf jeden Fall ist das Buch großes Kino mit atmosphärischen Naturschilderungen und mit allen Mängeln empfehlenswert – gute Unterhaltung. Kristina Hauff wurde am Niederrhein geboren. Sie arbeitete als Pressereferentin für Fernsehserien von ARD und ZDF und am Theater. Unter ihrem echten Namen Susanne Kliem schreibt sie erfolgreiche Kriminalromane. Für «Unter Wasser Nacht» verbrachte sie längere Zeit im Wendland und recherchierte in Archiven. Kristina Hauff lebt mit ihrer Familie in Berlin.

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