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gwyn

Posted on 29.5.2023

«Achtung, aufgepasst! Wir kommen jetzt zur großen Preisfrage! Zum ultimativen Hauptgewinn von einer Million Euro! Ein Trommelwirbel saust durch unser Wohnzimmer.» Emely liebt Quizshows und ganz besonders liebt sie es, sich diese gemeinsam mit ihrer Mutter anzuschauen. Doch die kommt in letzter Zeit nicht mehr aus dem Bett heraus. Emely kann sie nicht mal wecken, so tief schläft sie. Darum muss sie ihren kleinen Geschwistern das Frühstück machen, sie anziehen und Lukas in den Kindergarten und Hannah in die Krippe bringen – dann muss sie auch noch selbst pünktlich in der Schule sein. Kommt sie nachmittags heim, schläft die Mutter noch immer. Das bedeutet, Emely muss die Kleinen abholen, sich um sie kümmern. Nur selten kann die Mutter sich aufraffen. Meist am Wochenende, wenn der Vater nach Hause kommt, der in der Woche beruflich weit entfernt ist, erst am Freitag spät zurück ist. «Help, I need somebody!» Die Kinder, der Haushalt, alles hängt an Emely – sie ist völlig überfordert mit ihren 12 Jahren. Ihre schulischen Leistungen leiden darunter. Wie kann Emely das alles vor den Nachbarn, Lehrern und ihrem besten Freund Mathis verheimlichen? Denn mit jemanden darüber reden – das wäre doch Verrat!? Mathis ist ein guter Freund, er ahnt, dass irgendetwas nicht stimmt und er hilft Emely ein paar Mal in der Schule aus der Patsche, ohne sie zu bedrängen. Dem Mädchen bleibt keine Zeit mehr für sich, sie schafft es nicht mal mehr in den Skaterpark. «Habe ich gerade drei Minuten gesagt? Okay! Ich nehme Hannah, setze sie auf den Boden, drücke ihr zum Spielen ihr Badewannen-Krokodil in die Hand, laufe in die Küche. ‹Lukas, komm Zähneputzen!› Er rutscht vom Stuhl und will unter den Tisch krabbeln. Ich schnappe ihn, bringe ihn ins Bad. Vor dem Waschbecken hampelt er herum und erzählt mir was von seinem Flitzer.» Christine Werner greift das Thema Tablettensucht von Eltern einfühlsam und realistisch aus der Sicht des Kindes auf. Das Wort wird nie erwähnt, lediglich leere Tablettenverpackungen, die herumliegen. Emely weiß nicht, was mit Mama los ist. Sie liebt ihre Mutter, die sich auch bemüht aufzustehen. Meistens klappt es aber nicht und die Versprechen, einen Ausflug, eine Shoppingtour zu machen, kann sie nicht einhalten. «Du bist nicht allein!» Doch das Mädchen ahnt, was hier los ist. Irgendwann ist ihr alles zu viel – gut, dass Mathis nicht locker lässt und einen Rat weiß! Ein wichtiges Thema, denn Tablettensucht ist ein verbreitetes Feld – und nicht nur diese Sucht! Die Autorin beschreibt einfühlsam die Überforderung des Kindes; aber auch das Wegsehen der Erwachsenen. Denn es wird deutlich, dass der Vater etwas weiß – der sich gut entziehen kann, weil er in der Woche abwesend ist. Das unausgesprochene Geheimnis der Familie. Auch die Nachbarin, die Hilfestellung bei der Betreuung der Jüngsten anbietet, ahnt etwas. Auch sie spricht es nicht an. Die Erwachsenen versagen aus Scham, ein Tabuthema offen anzusprechen. Ein Jugendbuch, dass ein wichtiges Thema aufgreift, eine Hilfestellung bietet. Das Buch eignet sich gut als Schullektüre zum Thema Sucht. Hier bietet der Verlag unterstützend Unterrichtsmaterial an. Der mixversion Verlag gibt eine Altersempfehlung ab 11 Jahren an. Das passt für mich in Bezug zum Alter von Emely und auch in der Schreibweise, die auf ein jüngeres Publikum der Jugendliteratur angelegt ist. Ein empatischer Jugendroman zum Thema! Empfehlung! «Was ist eine Million wert? A: die Antwort auf die Biologie-Frage B: die Entdeckung von Quizanien C: Mama, die tanzt» Christine Werner arbeitet seit 25 Jahren als freie Autorin und Journalistin für den ARD-Hörfunk, schreibt und produziert überwiegend Reportagen, vor allem zu gesellschaftspolitischen und sozialen Themen. Dafür ist sie viel unterwegs. Sie übernachtet dann am liebsten bei Freunden, lebt auf Zeit in anderen Familien und lässt sich davon inspirieren. Wenn sie nicht unterwegs ist, lebt sie in Köln. «Blitzeinschlag im TerriTorium» ist ihr Jugendbuchdebüt.

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