buchgespenst
Im 15. Jahrhundert trug Thomas Malory die Sagen um König Arthur zusammen zu seinem großen Arthur-Roman, der bis heute fesselt. John Matthews beschäftigt sich schon sein ganzes Leben lang mit dem Stoff und hat dabei viele Sagen aus dem Arthur-Zyklus gefunden, die aus uns unbekannten Gründen nicht von Malory berücksichtigt wurden. Diese Sagen, die auch heute nicht unbedingt einfach zugänglich sind, hat John Matthews in diesem Buch zusammengetragen und im Stil Malorys aufbereitet. Ein namenloser Rahmenerzähler sorgt für einen losen roten Faden, der die Geschichten zusammenhält. Man muss sich bei diesem Buch ein paar Dinge bewusst sein. 1. Es versteht sich als Ergänzung zu Malorys Roman. Die hier präsentierten Sagen werden in den Kontext eingeordnet, ein paar Eckpunkte werden genannt, aber es wird sonst auf Malory verwiesen, er wird nicht wiederholt. 2. Der Stil der mittelalterlichen Sagen wird hier beibehalten. 3. Es ist kein Fantasy-Roman, sondern ein Sagenbuch und zwar im Stil der alten Sagen. Hier wurde nicht modernisiert und zwar im besten Sinne. Wer sich darauf einlässt kann sich auf großartige Ritterabenteuer freuen mit großen Namen wie Merlin, Gawain und Lancelot, aber auch unbekannten Rittern der Tafelrunde wie Palomides, Lanval und Meriadoc. Sogar König Arthur ist inkognito als Papageienritter unterwegs. Ein Abenteuer gebiert sich aus dem anderen, Feenwesen und Zauberer, Schicksal und Prophezeiungen, magische Burgen sowie Zauber, die mal witzig, mal grotesk und mal tödlich sind – all das zeigt, dass schon die alten Sagen beste Fantasy geboten haben. Als besondere Ausstattung ist dieses Buch von John Howe illustriert, der unter anderem an der künstlerischen Konzeption der Herr-der-Ringe-Filme beteiligt war. Seine traumhaften Bilder erwecken die Sagen zum Leben, mal schwarzweiß, mal farbig, mal als kleines Ornament und dann wieder im atemberaubenden Großformat, machen sie das Buch zu einem einzigartigen Leseerlebnis. Außerdem wurde dieses Buch besonders schön und im Stil der alten Sagenbücher gesetzt: zweifarbig – die Überschrift und eine kurze Einleitung in rot, der Haupttext schwarz – und der Haupttext ist zweispaltig. Abgerundet wird das Buch mit einem Vorwort von Neil Gaiman, einer Einführung von John Matthews sowie einem Anmerkungs- und Quellenteil, der die Sagen noch mal einordnet und kommentiert. Gerade dieser Abschnitt verlockt zu weiterer Lektüre. Hier hat mir besonders gut gefallen, dass nicht nur auf die englischen Quellen verwiesen wird, die John Matthews natürlicherweise genutzt hat, sondern auch auf deren Verfügbarkeit in deutscher Sprache. Da hier die Titel gerne mal abweichen wäre eine Recherche nicht ganz einfach, zumal nicht alles derzeit verfügbar ist. Dieses Buch fordert im besten Sinne eines überwältigenden Werkes die Aufmerksamkeit und Zeit des Lesers. Es verlangt danach, sich einzulassen, abzutauchen und die Geschichten auf sich wirken zu lassen. Das Buch liest sich nicht einfach runter, es ist auch kein Roman, der eine zusammenhängende Geschichte erzählt. Es sind Sagen, die sich als Ergänzung zu Malory verstehen ohne die Kenntnis von Malorys Buch vorauszusetzen. Ich bin von diesem Buch restlos begeistert. Nicht nur die aufwendige Gestaltung und liebevolle Ausstattung haben mich fasziniert, gerade auch der Inhalt selbst hat mich bezaubert. Ich liebe die mittelalterlichen Heldensagen, den Stil und ihre überraschenden, überbordenden Fantasyelemente, die in ihrer trügerischen Leichtigkeit mit der sie eingebaut wurden, viele Fantasyromane von heute in den Schatten stellen. Malory ist die große Referenz des Buches, aber jeder Abschnitt liest sich als spannendes Abenteuer, für das eine Kenntnis des Originals nicht unbedingt erforderlich ist. Wer sich auf die mittelalterliche Sagenwelt um König Arthur mit den großen Ritterabenteuern, in denen sich alles um Ehre, Schicksal und den Ritterkodex dreht einlassen möchte, ist hier genau richtig. Ein Traum von einem Buch in jeder Hinsicht.