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sophiesyndrom

Posted on 1.5.2023

Als ich vor einigen Wochen die Leseprobe zu „Bissle Spätzle, Habibi?“ gelesen hatte, wusste ich das ich dieses Buch lesen musste, und ich lag sehr richtig mit der Annahme, dass mir die Geschichte wahnsinnig viel Spaß machen würde. Der Einstieg in die Handlung fällt super leicht, aber tatsächlich gestaltet sich der Verlauf etwas anders, als der Klappentext vermuten mag. Die eigentliche Verwechslung von Ismael als Amayas Heiratskandidat passiert recht weit hinten in der Geschichte und geht auch nicht wirklich von Amaya aus, sondern beruht auf den falschen Schlussfolgerungen ihrer Eltern. Der Klappentext finde ich dadurch etwas ungünstig formuliert, weil er auch so weit vorausgreift, allerdings muss ich dazu sagen, dass für mich das Wissen darüber, was noch kam, nicht das Leseerlebnis geschmälert hat. Abla Alaoui schafft es in dieser Geschichte vor allem, besonders nahbare Figuren zu erschaffen. Durch die eingebauten Rückblenden bekommt man ein klareres Bild von den einzelnen Personen und Einstellungen und auch Verhaltensweisen werden dadurch verständlich und plausibel gemacht. Amayas wahnsinnige Angst, ihren Eltern die Wahrheit über ihre Beziehung mit Daniel zu erzählen, beruht auf der Erfahrung, dass sie schon einmal aufgrund einer ihrer Entscheidungen ihre Eltern für mehrere Jahre verloren hatte. Dieses Verlustgefühl wünscht sie sich kein zweites Mal, weshalb sie ihr Möglichstes tut, um Daniel, den sie durch Ismael kennenlernt und mit dem es sofort funkt, vor ihren Eltern zu verheimlichen. Die Geschichte fokussiert sich auf Amaya und die Problematik, dass ihre Eltern sich einen Muslim für sie wünschen, sie sich allerdings in einen schwäbischen Antheist verliebt. Von der Handlung her fokussiert sich Alaoui zunächst darauf, Amaya, ihre Familie und ihre beste Freundin Klara einzuführen. Daniel als Love Interest taucht in den ersten hundert Seiten gar nicht auf, was mir zwar aufgefallen, aber mich absolut nicht gestört hat, da die Autorin durch ihren humorvollen und schönen Schreibstil die Alltagserlebnisse von Amaya so nahbar macht, dass ich einfach nicht anders konnte, als weiterzulesen. Man fliegt quasi so durch die Seiten und will nach jedem abgeschlossenen Kapitel sofort wissen, wie es weitergeht. Auch hat die Autorin bis kurz vor Ende ein sehr gutes Gespür dafür bewiesen, welche Handlungspunkte erzählt werden müssen und was die Geschichte unnötig in die Länge ziehen würde. Die komplette intensive Kennenlernphase von Amaya und Daniel wurde ausgelassen und die Handlung springt nach dem ersten Treffen von den beiden, bei dem bereits die Funken fliegen, direkt in die Beziehungsphase. Der Fokus des Buches ist schließlich ein anderer, wodurch ich die Entscheidung verstanden und tatsächlich auch sehr begrüßt habe. Auch so kamen die Gefühle von Amaya und Daniel sehr gut bei mir an. Daniel habe ich durch seine einfühlsame Art als Figur sehr genossen. Er war als Partner sehr verständnisvoll, auch wenn man zwischen den Zeilen lesen konnte, dass es ihn manchmal sehr schmerzte, dass er nicht öffentlich zu Amaya und ihrer Liebe stehen konnte. Ebenso die anderen Figuren – besonders die beste Freundin Klara und Amayas Bruder Mounir – wuchsen mir wahnsinnig ans Herz. Auch sie waren Amaya eine tolle Stütze und haben die Geschichte sehr bereichert, was den Witz und die herzerwärmenden Szenen anbelangt. Die Protagonistin Amaya habe ich schnell liebgewonnen, da man natürlich speziell sie durch die eingebauten Rückblenden am besten kennenlernen konnte. Ihre Liebe zum Schauspiel konnte man bereits in ihrer Kindheit erkennen und auch das tiefe Vertrauen zu ihrem Bruder Mounir wurde so noch einmal mehr deutlich. Allerdings muss ich sagen, dass ich mir besonders zum Ende der Geschichte etwas mehr Charakterentwicklung von ihr gewünscht hätte. Warum Amaya so große Angst vor der Wahrheit hat, habe ich nachvollziehen können, allerdings hatte ich darauf gehofft, dass sie zu der aktiv handelnden Person wird, als ihre Lügen gegenüber Daniel schließlich auffliegen. Doch dem ist nicht so. Am Ende ist es abermals Daniel der einen Schritt auf sie zumacht und unerwartet bei der Hochzeit des Bruders auftaucht und auch da hätte Amaya die Möglichkeit gehabt, reinen Tisch zu machen, doch auch wieder verleugnet sie Daniel. Irgendwie konnte mich so das dramatische Finale nicht ganz packen. Auch ging mir ab da alles etwas zu schnell. Amayas Vater bricht aufgrund des ganzen Tumults zusammen, wird ins Krankenhaus eingeliefert und das klärende Gespräch zwischen Amaya und ihren Eltern findet dann am Krankenhausbett statt. Dabei erfährt man zudem, dass es Daniel und seinen Fachkenntnissen als Kinderchirurg zu verdanken ist, dass es Amayas Vater gut ins Krankenhaus geschafft hat. Und dieser Punkt hat mich vielleicht mehr beschäftigt als er sollte, da ich mir dadurch die Frage stellen musste, ob Daniel genauso gut oder überhaupt von den Eltern aufgenommen worden wäre, hätte er nicht zur Hilfe eilen können. Insgesamt hat das bei mir einfach einen Beigeschmack hinterlassen, den ich bis zum Schluss nicht loswurde, da Daniels Einsatz bis zuletzt betont wurde. Zudem lag für mich die Beziehung von Daniel und Amaya so in der Schwebe und ich hätte mir hier gewünscht, dass auch zwischen ihnen noch ein klärendes Gespräch stattfindet. Als Leser springt man so bei den beiden vom großen Bruch über die Ungewissheit zum Heiratsantrag. Das Ende hatte mir da also leider einen kleinen Dämpfer verpasst, aber dennoch möchte ich betonen, wie viel Spaß mir dieses Buch gemacht hat. Auch wenn mich das Ende nicht vollkommen abholen konnte, würde ich das Buch jedem in die Hand drücken wollen, da die Geschichte mich wirklich sehr mitgerissen hat und sie auch thematisch sehr vielfältig ausgelegt ist. Ich freue mich darauf, mehr von Abla Alaoui lesen zu können.

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