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sophiesyndrom

Posted on 1.5.2023

Ich werde mit dieser Rezension unzufrieden sein, da ich mir sicher bin, dass ich nie genug, geschweige denn mit den richtigen Worten, beschreiben könnte, wie nah mir dieses Buch ging, und was es mir bedeutet hat, die Geschichte um Sam und Sadie zu verfolgen. »Morgen, morgen und wieder morgen« kommt mit einem wunderschönen Cover daher – der Ausschnitt von Hokusais »The Great Wave« in Kombination mit einer Schriftart mit Retrocharme sind dabei fabelhaft abgestimmt auf den Inhalt. Der Klappentext verspricht eine Geschichte über Freundschaft, Popkultur, Wagnis und Scheitern, kann aber natürlich nicht im Ansatz die Vielschichtigkeit vermitteln, die diesem Buch innewohnt. Im Grund – ja – es ist eine Geschichte über eine Freundschaft. Sam und Sadie lernen sich als Kinder in einem Krankenhaus kennen und ihre Liebe zum Videospiel schafft sofort eine Verbindung zwischen ihnen. Doch je weiter man liest, desto mehr wird einem die Komplexität dahinter bewusst, denn die Handlung zieht sich über eine Zeitspanne von ca. 20 Jahren und gibt so eine Lebenswelt preis, die immer mehr an Tiefe gewinnt. Durch kleine oder auch ausschweifendere Rückblenden werden Sam und Sadie zunehmend charakterlich geformt und ich habe sie dadurch als sehr authentische Figuren wahrgenommen. Im Laufe der Geschichte werden selbstverständlich weitere Charaktere eingeführt. Sie beeinflussen die Handlung, zeigen ihre Perspektive, nehmen Abschied oder bleiben bis zuletzt dem Leseerlebnis erhalten. Und immer sind da Sadie und Sam – wie zwei Magnete, die sich abstoßen, nur um sich direkt darauf wieder gegenseitig anzuziehen. Nicht durchweg habe ich Sympathie für die beiden empfunden, manchmal habe ich sie gehasst, manchmal ein bisschen zu sehr geliebt. Ihre Freundschaft war teilweise toxisch, teilweise schön, sie brach und blühte dann wieder auf. Und mich hat das alles einfach wahnsinnig berührt. Gabrielle Zevins schreibtechnisches Handwerk hat mich vom Hocker gehauen. Ich würde ihren Stil als nüchtern mit Hang zu großen Gefühlen beschreiben. Für mich war es eine wahre Meisterleistung, wie sie es schaffte, diese gegensätzlich erscheinenden Aspekte miteinander zu verbinden. Zudem hat sie sich verschiedenen Erzählstilen bedient und die Handlung so mit noch mehr Blickwinkeln und Ebenen angereichert. Die Erzählerstimme hat hier nicht nur die Innenwelt der Figuren zum Ausdruck gebracht, sondern zusätzlich Vorausblicke und Kommentare gegeben und manche Themen- und Handlungspunkte in einen größeren Zusammenhang eingeordnet. Zuletzt möchte ich noch kurz auf das Thema Videospiele bzw. Videospielentwicklung eingehen, das stets präsent in der Geschichte war und gleichzeitig manchmal so nebensächlich erschien. Es ist mir sehr positiv aufgefallen, wie die verschiedenen Aspekte (auch die recht abstrakten Dinge), die in solch einem Prozess der Videospielentwicklung Einfluss nehmen, auf eine sehr interessante und verständliche Weise beschrieben werden. Alles (man könnte es hier auch auf das ganze Buch ausweiten) wirkte sehr gut durchdacht, kreativ und individuell. »Es ist eines der besten Bücher, die ich je gelesen habe.« John Green bringt es für mich damit eigentlich auf den Punkt. Für mich war dieses Buch alles und noch viel mehr.

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