kupfisbuecherkiste
Im abgelegenen Dorf Jakobsleiter kennt jeder jeden. Die kleine Dorfgemeinschaft ist sehr eng zusammen gewachsen. Auch die Lehrerin an der Dorfschule kennt ihre Schüler ganz genau. Ausser den zwei Schülern Jesse und Rebekka, die oben auf dem Berg wohnen in einer Täufergemeinde. Diese lebt noch zurückgezogener als die Dorfgemeinschaft. Neue Lebensweisen sind nicht erwünscht, und die Regeln, in der Täufergemeinde aufgenommen zu werden bzw. leben zu dürfen, sind streng. Denn es geht ums Überleben. Als Rebekka eines Tages verschwindet, will Jesse nach ihr suchen. Denn er glaubt, dass sie nicht freiwillig gegangen ist. Doch er ist nicht alleine auf der Suche nach der verschwundenen Rebekka. Auch Smilla ist auf der Suche nach Juli, ihrer Freundin aus Schulzeiten. Juli ist ebenso spurlos verschwunden. Und auf der Suche werden immer mehr Opfer gefunden. Die Täter: sind mitten drin. Smilla kann hier unerwartet ein gut gehütetes Geheimnis aufdecken, das weite Kreise zieht. Und dem Hörer es eiskalt den Rücken runter laufen lässt. Mir hat das Hörbuch sehr gut gefallen. Durch die verschiedenen Stimmen der Erzählperspektiven konnte man der Geschichte sehr gut folgen. Allein die Erzählperspektiven von Jesse und Edith sind sehr einprägsam geschrieben. Wolfskinder erzählt eine Geschichte eines Rudels, ja einer Dorfgemeinschaft, die still vor sich hinlebt, und doch Aufsehen erregt. Es wird viel von die da oben und die da unten gesprochen. Die Erzählperspektive von Edith hat eine Beobachterrolle, und kann durch die Beobachtungsgabe ein Stück weit die Philosophie der Dorfgemeinschaft erklären. Das Dorf ist eine Art Rudel, in der jeder seine Rolle tragen muss. Reißt einer aus, hat dies Konsequenzen für alle. Fehlverhalten wird hart bestraft. In dieser Dorfgemeinschaft wird vieles verschwiegen, verdeckt. Erst als von außen Menschen in die Gemeinschaft eindringen, bröckelt die Fassade. Genau das, was die Gemeinschaft versucht hat, zu vermeiden. Und doch ist der Blickwinkel, der auf der verschworenen und gläubigen Gemeinschaft liegt, nicht der einzige Fokus. Es ist vielmehr das zwischenmenschliche Verhalten. Wie geht man mit vermeintlichen Außenseitern um, und wie unterschiedlich ist die Definition davon. Unterschiedlichste Weltanschauungen führen dazu, jemanden auszugrenzen, und die Verhaltensmuster gegen das, was nicht sein soll, werden unangenehm. Welchem Wolfsrudel auch immer man angehört, die Gemeinschaft hält zusammen. Um jeden Preis. Aber auch innerhalb der Gemeinschaft wird gegen ein Labyrinth von Gefühlen gearbeitet. Jeder, der ausbrechen will, wird versucht, gefangen zu halten. Die Strukturen einer solchen starken Gemeinschaft können wie ein dunkles Labyrinth wirken, der man kaum etwas entgegen zu setzen hat. Hier ist man auf Hilfe von außen angewiesen, die wie ein dünnes Seil wirkt, das jeden Moment reissen kann. Dieses Buch ist ein Buch über innere Konflikte, innere Strukturen, die schwer aufzubrechen sind. Selbst wenn man sie von außen bricht, muss jeder eine neue Position im veränderten Wolfsrudel finden. Das hinterlässt Spuren. Bei den Protagonisten, und bei mir als Leser. Es ist ein Buch, das nachwirken musste und mich aufgewühlt hat. Die Umsetzung als Hörbuch ist dem Argon Verlag wieder sehr gut gelungen. Die unterschiedlichen Sprecher:innen haben die Protagonisten plastisch wirken lassen. Gerade Edith und Jesse sind mir stark hängen geblieben. Jesse, der nicht weiß, auf welche Seite er gehört. Und Edith, die als Wolfskind fast schon heraussticht, und die eine sehr schnelle Auffassungsgabe hat. Gerade Edith hat für mich eine zentrale Rolle gespielt. Sie wusste für mich gefühlt immer, wie alles zusammen hängt, obwohl sie sicherlich aufgrund ihres Alters nicht alles erfassen konnte. Gelungenes Werk!