Bücher in meiner Hand
Seit Bettina Storks in "Das geheime Lächeln" kurz Dieulefit erwähnte, wusste ich, über dieses Dorf möchte ich mehr wissen. Das wollte Storks auch - die für ihre akribischen Recherchen bekannte Autorin reiste in die Drôme und konnte sich vor Ort mit Augenzeugen unterhalten. Daraus entstand "Die Kinder von Beauvallon", ein Roman, der in Dieulefit spielt und erzählt, was die Bewohner dieses kleinen französischen Dorfes so Grossartiges taten im zweiten Weltkrieg. Die Résistance-Bewegung versteckte jüdische Bürger bei Familien und befreite Kinder aus den Lagern. Einige davon kamen nach Dieulefit, in die Schule Beauvallon. Insgesamt waren es 1500 Menschen, die sich dort verstecken konnten vor den "boches", wie die deutschen Besetzer und Nazis von den Franzosen genannt wurden. Anhand fiktiven Figuren wie Agnes erzählt Bettina Storks die Rolle, die Dieulefit (Dieu le fit = "Gott hat es gemacht") in den Kriegsjahren inne hatte. Radiomoderatorin Agnes soll verdeckt einen Beitrag vorbereiten - die Zeit ist 1965 in Deutschland anscheinend noch nicht reif, um offen über die Kriegsjahre zu reden - um über die Deportation der Sulzbacher Juden zu berichten. Agnes ist persönlich betroffen, denn ihre Kindheitsfreundin Lily wurde vor ihren Augen deportiert. Alles was sie noch hat, ist ein halbes Fotos mit dem Bild von Lily. Die andere Hälfte hat Lily mitgenommen. Ob Lily überlebt hat, weiss Agnes nicht, denn sie hat nie wieder etwas von ihr gehört. Als Agnes in ihren Recherchen auf Dieulefit stösst, reist sie nach Frankreich und erkundigt sich in Beauvallon u.a. auch nach Lily. So stösst sie auf Jean-Pierre Roche, bekannt aus Storks früheren Romanen, der anscheinend der beste Freund von Lily in Beauvallon war. Lily hat den Krieg überlebt, aber keiner weiss, wo sie sich nun aufhält. Agnes geht allen Spuren nach. Was für ein grossartige Geschichte - auch wenn Agnes und Lilys Geschichte fiktiv sind, glaubt man beim Lesen jedes Wort. Glaubt, dass sich alles genau so abspielte wie Bettina Storks die Lebensgeschichten der Betroffenen schildert. Eindrücklich und klar, ohne Sentimentalitäten, aber dennoch äusserst feinfühlig, erzählt die Autorin nicht nur von den Lehrerinnen und Schülern von Beauvallon und den Bewohnern des Ortes, sondern auch anhand Jolie, einer jungen Frau, die so viele Leben rettete, dabei immer in der Gefahr, ihres eigene dabei verlieren zu können. Fazit: Ein grandioser Roman gegen das Vergessen - gehört unbedingt gelesen! 5 Punkte.