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«Ihr glaubt, ich esse zu viel? Das ist noch gar nichts. Geht am 31. Dezember online, wenn ich die Live-Übertragung meiner Henkersmahlzeit ins Netz stelle. Schaut zu … wie ich mich zu Tode fresse.» Weil er so fett ist, bleibt er in der Schule ein Außenseiter, man nennt ihn «BUTTER»; er wiegt über 400 Pfund. Später erfahren wir auch, wie er zu diesem Namen kam - eine ziemlich fiese Mobbingaktion. Die Ferien verbringt er in Abnehmcamps, aber letztendlich packt er es nicht, seine Fresssucht in Griff zu bekommen. Seine Liebe gilt der Musik und mit seinem Saxophon kann er Herzen erweichen. Auch das von Anna, einer Klassenkameradin. Doch die kennt ihn nur aus dem Netz aus einem Chatroom, will sich unbedingt mit ihm treffen. Er weiß aber genau, dass sie sich ihren Price Charming ganz anders vorstellt. Sie setzt ihn unter Druck und er verspricht ihr, sie werden sich an Sylvester treffen. In seinem Inneren ahnt er, das wird nie geschehen, denn schlussendlich wird diese zarte Liebesgeschichte an diesem Punkt enden. Er hat die Nase voll vom Mobbing und fasst einen Entschluss: Er wird sein Leben beenden – und das kündigt er auf einer geheimen Website an, ButtersLastMeal.com, zu der man einen Zugangscode braucht. Den schickt er an all seine Feinde, die ihn tagtäglich schikanieren. «Du bist nur so viel, wie du wiegst.» Sein Plan: Er will sich in einem Livestream an Sylvester zu Tode essen. Er offeriert eine Liste der Dinge, die er fressen will. Natürlich auch eine Stange Butter! Als BUTTER den Entschluss online ankündigt, erwartet er Entrüstung oder Mitleid – Aufmerksamkeit auf sein Leiden! Aber das Gegenteil passiert: Seine Mitschüler:innen sind von seinem Plan begeistert und feiern ihn wie einen Helden. BUTTER ist die Nummer 1! Die Jungs akzeptieren ihn plötzlich, und er ist ein Teil der Gruppe, man will ihm seine letzten Tage versüßen, gibt Tipps, was er unbedingt noch erleben muss, was auf seiner Fressliste fehlt. Zum ersten Mal in seinem Leben hat Butter das Gefühl, wirklich dazuzugehören. Doch sein Todesdatum rückt immer näher, da gibt es kein Zurück mehr, weil er sich ansonsten der Lächerlichkeit preisgibt ... Wird er cool sein und sein Vorhaben verwirklichen? Ein Jugendroman, der Gänsehaut erzeugt. All die Geschichten, die der 16-Jährige BUTTER erlebt, seine Gedanken und Gefühle, berühren den Lesenden. Eine Mutter, die sich um ihn sorgt, alles richtig machen will, aber letztendlich seine Fresssucht unterstützt. Ein Vater, der nicht mehr mit ihm redet, schon lange nichts mehr mit ihm unternimmt. In der Mensa der Schule hat der Fettklops einen eigenen Tisch und eine eigene Bank, da die übrigen Stühle sein Körpergewicht nicht tragen. BUTTER hat als Folgeerscheinung Diabetes bekommen, kann sich kaum bewegen, fährt mit dem Auto zur Schule, wo er auf dem Behindertenparkplatz parkt. Bodyshaming, Mobbing und Sensationsgier sind die Themen, das Leben eines anderen im Netz. Soziale Identität erlangen, dazuzugehören, anerkannt sein und sich selbst zu optimieren – etwas, wonach sich BUTTER sehnt. Aber er wird nicht nur ausgestoßen, sondern obendrein noch verhöhnt. Das Leben ist nicht mehr lebenswert. Als er seinen Suizid outet, letztendlich ein Hilferuf, ihn zu bemitleiden, klatschen alle Beifall. Denn im Hinterkopf haben alle, dass BUTTER das nicht packt. Was denn sonst! Eine provokante, spannende Geschichte, die berührt. Wie der Junge wirklich heißt, erfahren wir nicht, wir lernen lediglich die ganzen Schimpfnamen kennen, mit denen er tituliert wird. Kann man sich durch eine einzige Mahlzeit umbringen? Auch diese Frage wird erörtert und erklärt. Der Roman erschien bereits im Original 2014, wurde 2020 unter dem Namen «Butter’s Final Meal» in den USA verfilmt. Trotz aller Härte hat dieses emotionsgeladene Jugendbuch eine Menge schöne Momente und viel Witz, denn der sympathische Icherzähler geht sarkastisch mit seinem Leben um. Es geht in der Erzählung auch um Freundschaft – denn BUTTER ist nicht ganz allein. Und ihm ist klar, dass seine neuen Freunde letztendlich keine sind. Trotz allem lebt er auf in der plötzlichen Bewunderung der alten Feinde. Das analysiert er für sich ebenso scharfzüngig. Der Arena Verlag gibt eine Altersempfehlung ab 14 Jahren. Das passt für mich. Lesen! Es lohnt sich! Erin Jade Lange hat einige Zeit als Journalistin gearbeitet und greift als Inspiration für ihre Bücher noch immer gerne aktuelle Ereignisse aus der Realität auf. In ihren Geschichten gelingt es ihr, Fiktion zum Leben zu erwecken. Das beweisen sämtliche Preise, die sie bisher für ihre Bücher gewonnen hat, darunter auch der deutsche Jugendbuchpreis Friedolin. Ihr Roman „Halbe Helden“ war für den deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Mit ihrer Familie lebt die Autorin im sonnigen Arizona.