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wandanoir

Posted on 9.3.2023

Tragische Lebensläufe Kurzmeinung: Weibliche wilde Feger haben es immer schwer, besonders aber im 19. Jahrhundert Mary Shelley (1797-1851) und Claire Clairemont (1798-1879) waren Halbschwestern, wilde Feger, für ihre Zeit hochmoderne Frauen und völlig überkandidelt. Sie lebten zeitweise eine ménage à trois und gaben nicht viel auf die Meinung der Gesellschaft. Sie waren eine Ausnahmeerscheinung. Mary heiratete schließlich den Adligen Percy Bysshe Shelley, nach langer Liaison mit ihm, da er verheiratet war und von seiner Ehefrau zwei Kinder hatte. Er war ein überspannter junger Kerl, der in seinem Leben nie gearbeitet hatte und ungeachtet seiner noch lebenden Ehefrau mit beiden Schwestern ins Bett ging. Als Sohn und Erbe eines vermögenden Vaters hatte er es nicht nötig, sich um Geld zu sorgen und nahm schon in jungen Jahren großzügige Anleihen auf sein künftiges Erbe auf. Eigentlich gehörten alle drei der besseren Gesellschaft an. Doch sie brachen aus den engen Strukturen ihres Standes aus, machten deswegen auch härtere Zeiten durch. Da, offen gesagt, alle drei völlig verantwortungslos waren, konnte dies nicht ausbleiben. Alle drei versuchten sich in der Schriftstellerei, mit unterschiedlichem Erfolg. Letztlich wurde nur Mary richtig berühmt, als sie die berüchtigte Frankensteinfigur erfand. Ruhm und Ehre auf breiter Ebene blieben ihr jedoch versagt. Der Kommentar: Der Roman wird aus den Innenansichten der handelnden Personen heraus geschrieben; das macht ihn intensiv, zeitnah, historisch- authentisch, aber auch unangenehm schwülstig und pathetisch, da, wie gesagt, die Hauptfiguren nicht ganz von dieser Welt waren, den Kopf immer in den Wolken. Die Bekanntschaft mit dem britischen Dichter Lord Byron (1788 – 1824), einem womöglich noch überspannteren, exzentrischen und egozentrischen jungen Mann, einem aus heutiger Sicht Tierquäler erster Güte, machte die Dinge nicht besser. Claire Clairemont war ihm sexuell hörig und überließ ihm ihre Tochter Ava mit anderthalb Jahren, in der irrigen Ansicht, der Vater würde sich vorbildlich um sein Kind kümmern. Pustekuchen. Mit vier Jahren starb das Kind an einer Krankheit, an dem Trennungstrauma und an Vereinsamung leidend in einem Kloster, wohin sie vom Vater als Kleinkind in frühkindlichem Alter abgeschoben wurde. Man möchte den Dandys dieser Zeit noch heute Schmähungen ins Grab nachrufen! Also insoweit erhält der Leser einen erstklassigen Eindruck von den Problemen einer Frau von Stand in dieser Zeit; wichtig waren der Ruf und die Versorgung einer Frau durch Elternhaus oder Ehemann. Über Kind und Weib hatte der Mann, als Krone der Schöpfung, alleinige Entscheidungsgewalt. Kinder hatten quasi gar keine Rechte. Obwohl die beiden Frauen Konventionen sprengten, verlief ihr Leben tragisch. Der Autor hat die Lebensumstände und Beweggründe, auch die Verdienste dieser mutigen, die Gesellschaft herausfordernden Frauen auf den Punkt gebracht. Davon bin ich begeistert. Andererseits waren die Schwestern leichtfertig. Auf alle Fälle hatten sie keinerlei Lebenserfahrung und konnten die Tragweite ihrer Entscheidungen nicht überblicken. Dafür mussten sie einen hohen Preis bezahlen. Auch die Männer bezahlten. Allerdings wurde deren Leiden durch Vermögen und Stand abgemildert, mit männlicher sexueller Exzentrizität übte die Gesellschaft Nachsicht. Daran hat sich nicht viel geändert! Fazit: Von den beiden Schwestern Mary Wollstonecraft Shelley und Claire Clairemont wusste ich gar nichts und auch nicht von dem Dichter Percy Bysshe Shelley, was allerdings kein Verlust gewesen ist, was letzteren betrifft. Ich wurde von dem Autor auf kurzweilige Weise meiner Bildungslücken enthoben, ins Bild gesetzt und fühle mich bereichert. Dabei ist der Autor immer unterhaltsam, nie langweilig. Dennoch hätte ich eine andere Erzählperspektive bevorzugt, eine, die weniger Pathos gebraucht hätte. Kategorie: Biografischer Roman Verlag: Hanser, 2023

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