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Man könnte mit einiger Berechtigung sagen: Es ist der Roman der Stunde! In diesen Wochen (es Anfang März 2023) überschlagen sich die Meldungen im Bereich „KI“ (Künstliche Intelligenz). Ausgelöst durch den ChatBot „ChatGBT“ finden sich in den Medien jeden Tag neue Informationen, Zukunftsvisionen und Warnungen. Zwischen den großen Tech-Giganten findet ein unerbittlicher Wettbewerb um den Führungsplatz statt. Ein besseres Umfeld könnte man sich für die Geschichte von Pantopia kaum ausmalen. Der Inhalt sei nur kurz skizziert: Zwei junge, aufstrebende Programmierer (Patricia und Henry) nehmen an einem Wettbewerb um ein neues KI-basiertes Programm teil, mit dem die Rendite von Börseninvestitionen optimiert werden soll. Ohne es zu wollen oder nur zu ahnen, schaffen sie dabei die weltweit erste „starke“ KI, die als Zugabe zu ihrer überlegenen Lernfähigkeit und Performance auch noch ein Ich-Bewusstsein entwickelt hat. Das führt – erwartungsgemäß – zu allerhand Verwicklungen und letztlich zu dem Plan, der Menschheit den Weg zu einer neuen Stufe der Zivilisation zu eröffnen – und so auf einen Schlag so ziemlich alle Menschheitsprobleme zu lösen: Utopia wird zu Pantopia! Natürlich geht es in dem Plot auch um menschliche Bedürfnisse und Sehnsüchte, um (komplizierte) Beziehungen und um den Widerstreit von Gut und Böse, Es gibt einen (nicht unerheblichen) Spannungsbogen, unerwartete Wendungen und jede Menge Identifikationsangebote. Was es nicht gibt: Erotik und Gewalt (was ja durchaus erholsam sein kann). HANNIGs Schreibstil ist dabei flüssig und angenehm. Spannung wird nicht krampfhaft herausgekitzelt, mit gelegentlichen pathetischen Formulierungen kann man gut leben. Im Mittelpunkt des Romans stehen aber eindeutig zwei schwergewichtige Inhalte: Einmal nutzt HANNIG diesen Text dazu, ihre Idealvorstellungen einer gerechten und nachhaltigen Welt darzustellen und gleich einen (originellen und anregenden) Weg zur Umsetzung ziemlich detailliert auszubuchstabieren. Mit dem ChatBot „Einbug“ mischt sich die Autorin in niederschwelliger und unterhaltsamer Weise in die Diskussion um Möglichkeiten und Grenzen der KI-Revolution ein. Sie bietet eine anschauliche und durchdachte Antwort auf die Frage an: „Wie könnte es denn weitergehen, wenn aus einem KI-System ein bewusstes und kommunikatives Gegenüber entsteht, das sich Ziele zu eigen macht und dann in kreativer Eigenständigkeit verfolgt.“ Erfreulich ist, dass die „starke“ KI nicht zu einem dystopischen Monstrum aufgeblasen wird: sie findet Wahrheit erstrebenswert und „schön“. Die gesellschaftlichen Ziele der hier dargestellten Utopie sind sympathisch und nachvollziehbar: Sie orientieren sich an den Menschenrechten und an den Maßstäben für Nachhaltigkeit und globaler Gerechtigkeit. Man merkt dem Text an, dass HANNIG mit den einschlägigen Diskursen vertraut ist: So bezieht sie sich beispielsweise auf die von HARARI ausgearbeitete Bedeutung des Glaubens an bestimmte Narrative (z.B. von „Nationen“ oder „Geld“) oder auf die Gerechtigkeitstheorie von RAWLS (in der Regeln für Gerechtigkeit aufgestellt werden, ohne zu wissen, wo man in der Gesellschaft verortet ist). Hannig schafft in „Pantopia“ eine besonders gelungene und mainstreamkompatible Mischung zwischen „Botschaft“ und „Unterhaltung“: Man liest dieses Buch gerne, weil es sowohl spannend als auch informativ ist. Dieser Roman versauert ganz sicher nicht auf dem Nachttisch, weil man abends nur ein paar Seiten schafft.