bookeater
Dass Judith Holofernes schreiben kann, weiß man, wenn man ihre Liedtexte kennt. „Die Träume anderer Leute“ hat allerdings meine Erwartungen weit übertroffen. Selbstreflektiert und selbstironisch erzählt sie von ihrem Leben, speziell im Zeitraum von 2010 bis 2019. Dabei stellt sie sich die uns allen bekannte Frage: Wer bin ich und wer will ich sein? Sie gewährt Einblicke in das kommerzielle Musikbusiness, erzählt von ihrem ambivalenten Verhältnis zum Erfolg, erfährt Zustände körperlicher und seelischer Erschöpfung, schöpft wieder Kraft aus ihrer eigenen Kunst, erfindet sich immer wieder neu und bleibt sich dennoch dabei treu. „Das Mass an Zuneigung, das mir über die Jahre entgegen gebracht wurde, ist definitiv eine Luftpumpe fürs Ego, es ist kaum möglich, sich all die Liebe nicht zu Kopf steigen zu lassen. Wenn man dann noch meditiert, kann man sehr wohl seiner eigenen Heiligkeit auf den Leim gehen, sich selbst und seine Songs zu ernst nehmen und, in meinem Fall, die Messlatte an die eigene mariengleiche Duldsamkeit zu hoch zu legen.“ S. 197 Sie verwendet beim Schreiben die gleiche anmutige, bildhafte Sprache wie bei ihren Liedtexten. Jeden Satz kann man fühlen! Ich habe beim Lesen viel gekichert, inne gehalten, nachgedacht, viele Eselsohren geknickt und Passagen angestrichen. Besonders amüsiert hat mich die Schilderung der Echo-Verleihung 2014 . Äh… ich meine natürlich die Helene-Fischer-Festspiele. „Der Song übrigens, falls da jemand noch Zweifel haben sollte, war natürlich knallharter Schlager mit Bumsbeat drunter. Als der letze dieser Beats verbumst war, rückte Helene in beunruhigender Gelassenheit ein unverrücktes Haar zurecht, lief mitten aus der Tanzbewegung heraus auf die nächste Kamera zu und begrüßte flötend und kein bisschen außer Atem die Versammelten zum Echo 2014.“ S. 188 Einfach ein Lesegenuss!