Buchdoktor
Johnny Matz lebt mit Mutter und Bruder in Wilhelmshaven und verabredet sich regelmäßig am Anleger mit seinem Vater Jan, der ihn mit seinem Sportangelboot nach Wyk auf Föhr abholt. Johnny hat seine Karriere als leicht zu provozierender Problem-Jugendlicher gerade gekrönt, indem er einen Gleichaltrigen lebensgefährlich verletzte. Die beiden Familien kennen sich seit Jahrzehnten. Doch seine Erwartung, dass Jan ihn auch dieses Mal wieder herauspauken wird, erfüllt sich nicht. Jan Matz wird nach einem Tauchgang gefunden – mit Handschellen an das Geländer eines Schiffswracks gefesselt - und mit leerer Sauerstofflasche. Der tote Taucher wird nur zufällig entdeckt, als das Bergeschiff Freya von der Insel Terschelling den Meeresboden vor Amrum nach einem im Sturm verlorenen Container absucht. Die Niederlande verfügen offenbar über genauere Karten bisher entdeckter Wracks als ihre deutschen Kollegen, was wieder einmal an Empfindlichkeiten auf beiden Seiten rührt. Liewe Cupido von der deutschen „Bundespolizei See“ in Cuxhaven, Sohn einer deutschen Mutter und eines niederländischen Fischers, wird zu den Ermittlungen hinzugezogen, weil er die Temperamente beider Nationen kennt, praktisch auf dem Fischer-Boot seines tödlich verunglückten Vaters aufgewachsen ist – und ebenfalls Taucher ist. Unter Leitung der deutschen Kommissarin Judith zeigt sich Liewe, wie man ihn kennt. Er nutzt bei Vernehmungen aus, dass sein Gegenüber ihn unterschätzt, und durchschaut bald alte Bündnisse und neue Netzwerke der Inselbewohner. Jan Matz hatte schon immer nach Erinnerungstücken aus Wracks getaucht, um sie in die Vitrine zu stellen. Doch sein letztes Wrack, das bereits 1950 gesunken war und seinen Tod brachte, enthielt Kupferplatten im Wert von Millionen. Für Liewe ist klar, dass Jan ohne Helfer und Hehler die Platten nicht geborgen haben kann. Je entschiedener die Leute von der Insel schweigen, umso verdächtiger machen sie sich. Doch zunächst grübelt der Mann, der die Leute rätseln lässt, ob er Niederländer oder Deutscher ist, über die plakative Haltung, in der der tote Taucher an Bord des Wracks platziert war. Gier auf das Vermögen in Plattenform kann nach Liewes Einschätzung nicht das einzige Motiv für Jan Matz‘ Tod sein. Während Mathijs Deens Leser:innen mit Wissen aus einem parallelen Handlungsfaden den Ermittlern anfangs einen Schritt voraus sind, erforscht Liewe die Beziehungen der Beteiligten und konzentriert sich auf das Verhältnis zwischen Vätern und Söhnen. Auch er ist schließlich Sohn eines auf See verunglückten und vermissten Vaters, über dessen Tod noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Mit ausführlichem Einblick in Liewes Familienverhältnisse legt der Autor im zweiten Band um Liewe Cupido ein solides Fundament für die Fortsetzung der Reihe. Mit Schiffen, Seekarten und kauzigen Inselbewohnern war ich auch in diesem maritimen Krimi leicht zu erfreuen. Mir hat Mathijs Deens Liebe zum Detail gefallen; denn es sind Kleinigkeiten, die die Ermittler schließlich auf die entscheidende Spur bringen. Dass Liewe Cupido die Vorzüge von Hundespaziergängen am Strand schätzen lernet, weckt meine Neugier auf weitere Fälle für den eigenwilligen Ermittler.