Yvonne Franke
Nainoa ist ein Wunder. Der Teenager scheint übermenschliche Kräfte zu besitzen und unter besonderem Schutz zu stehen. Das wird spätestens klar, als er bei einem Bootsausflug vor der Küste Hawaiis ins Wasser stürzt und die ihn umkreisenden Haie ihn nicht etwa verspeisen, sondern behutsam apportieren. Kurz darauf entwickelt Nainoa heilende Fähigkeiten. Menschen und Tiere drängen in seine Nähe. Er berührt sie, spürt ihr tiefstes Inneres, sieht ihre Farben und auch die fatalsten Gebrechen und Verletzungen fügen sich ihm. Doch "Haie in Zeiten von Erlösern" ist keine esoterische Utopie. Es erzählt auch ein deutlich weltliches und heutiges Hawaii mit seiner Armut und Arbeitslosigkeit unter den Einheimischen. Die fünf Hauptfiguren sind witzig, auch gern mal auf derbe Art, haben einen Blick für die Schönheit, sind verzweifelt, wütend, geil und auf der Suche. Nainoas Geschwister verschwinden hinter seinem Glanz, der großen Hoffnung, die er allen, nicht zuletzt seiner Familie, bringt – auch finanziell. Die Talente der jüngeren Schwester und des älteren Bruders, der Hula-Tänzerin mit wissenschaftlicher Hochbegabung und dem aufstrebenden Basketballstar, verblassen neben seinen unglaublichen Taten. Wir hören Nainoas Geschichte aus fünf Mündern, denen seiner Familie und seinem eigenen. Von der Entdeckung seiner Fähigkeiten, mit all der Erschöpfung und Wut, die sie mit sich bringen, bis zu seinem Scheitern, dem daran zerbrechen. Der Hawaiianer Kawai Strong Washburn gibt den fünf Hauptfiguren seines Debüt-Romans unverwechselbare Stimmen. In Ausdruck und Weltsicht und in der Verbindung zu den eigenen Gefühlen sind sie einzigartig und doch behalten alle fünf eine glaubhafte Verbindung zueinander. Man spürt und hört, dass es auch geteilte Erfahrungen sind, die diese so unterschiedlichen Menschen geformt haben. Dass diese Nuancen in der Sprache deutlich werden ist auch der makellosen Übersetzung von Cornelia Holfelder-von der Tann zu verdanken. "Haie in Zeiten von Erlösern" Ist aufregend, bunt und düster. Die Gefühle peitschen einem nur so um die Ohren und dann vereinigt es uns alle, wie nebenbei, in seiner derben Schönheit.