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Buchdoktor

Posted on 26.1.2023

Der Hainish-Zyklus „Die linke Hand der Dunkelheit“ (1969 erschienen, auf Deutsch zuvor als "Der Winterplanet" veröffentlicht) ist Teil des 8-teiligen Hainish-Zyklus, der im alternativen Ekumen-Universum spielt und von dem zuerst "Rocannons Welt" erschien. Von den Hainish dieser alternativen Welt stammen die Bewohner aller Planeten ab. Besiedelt ist u. a. auch die Erde (Terra). Der Büchertreff ordnet den Titel als Band 4 ein, der Zyklus kann jedoch in beliebiger Reihenfolge gelesen werden. Inhalt Laut Wikipedia gilt dieser Band als einer der ersten Romane der feministischen Science Fiction und ist sicherlich die bekannteste Behandlung des Themas Androgynität und Genderfluidität innerhalb des Genres. Der Roman besteht aus zwei Teilen: den eher trockenen Dokumenten und Überlieferungen aus den Archiven von Hain, die ein Gesamtbild der Welt auf Gethen (Winter) liefern, und der gefährlichen Expedition von Ai und Premierminister Estraven durch Schnee und Eis. Auf den Planeten Hain wird Genly Ai als Gesandter von Terra zu Verhandlungen geschickt. Die Kultur verfügt über Autos, Boote, eine Telefonverbindung und muss ihre Besucher mit ihrer androgynen Denkweise verblüfft haben. Aus den nüchtern verfassten Dokumenten und Genlys Beobachtungen ergibt sich das Bild eines Volkes, das keine binären Geschlechter kennt, sondern in dem die Bewohner in zyklischen Abständen sexuell erregt sind und erst dann ein Geschlecht annehmen. Ein von Natur aus androgyner Bewohner von Gethen kann in seinem Leben also nacheinander phasenweise Vater und Mutter von Kindern sein. Der Instinkt den Nachwuchs zu schützen und aufziehen, ist weder väterlich noch mütterlich, sondern elterlich. Genly Ai nimmt die ihm fremde Welt aus seiner binären Denkweise wahr und ist sich dessen bewusst. Indem Ai die Welt begreift, vollzieht der Roman den Wissenstransfer für seine Leser:innen. Fazit Der Winterplanet/Die linke Hand der Dunkelheit erschien in den 70ern in die grade entstehende Frauenbewegung hinein, als Leser:innen mit alternativen Lebensmodellen (zumindest in der utopischen Literatur) noch zu überraschen waren. Science Fiction galt in den 60ern noch als Männerschmöker, so dass "Das Geheimnis des Mandelplaneten" (1978) ebenfalls noch überraschen konnte. Im Erscheinungsjahr des Winterplaneten, 1969, war eine androgyne Kultur sicherlich eine provozierende Idee, wie von LeGuin beabsichtigt. Rückblickend hätte mich in den 70ern eine Welt ohne männliche und weibliche Pronomen herausgefordert und ich hätte bezweifelt, dass die deutsche Sprache dieses Szenario abbilden könnte. Gerade in Verbindung mit Genly Ais diplomatischer Mission, in der es um Verhandeln, Sondieren und Konsensfindung geht, erlebe ich „Die linke Hand der Dunkelheit“ als Roman, der durch eine Neuausgabe gewinnt und nun anders gelesen werden kann. Durch Kim de l'Horizon, der in seiner Autorenbiografie angibt, auf Gethen geboren zu sein, erlangt der Winterplanet gerade neue Aufmerksamkeit.

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