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Palaisfluxx

Posted on 3.1.2023

Eine Buchbesprechung von Silke Burmester Worum geht es? Lena Andersson hat ein Buch über die Idee und soziale Utopie Schwedens geschrieben. Ragnar heißt ihr Protagonist und an seiner Person, seinen Widersprüchen, Zweifeln und seiner Selbstgerechtigkeit erzählt sie von einem Land, das nach dem Zweiten Weltkrieg angetreten ist, das sozialste, gerechteste der Welt zu sein. Sie erzählt von der von der Schufterei eines Fuhrunternehmers gezeichneten Kindheit und Herkunft Ragnars, seiner von ihm begrabenen Begabung und dem Entschluss, Lehrer zu werden. Vor allem aber geht es um das Leben in einer Neubausiedlung, die allen Schweden ein Heim und Geborgenheit verspricht, aus der aber ein jeder wegzieht, sobald er oder sie es kann. Bis auf Ragnar. Und seine Frau und Familie, die sich seinem Glauben und Starrsinn beugen. Was kann es? Abschrecken, langweilen, überraschen. • Abschrecken, weil der Protagonist Ragnar ein wirklich unangenehmer Zeitgenosse ist, dem die Autorin auch keinerlei Liebenswürdigkeit mitgibt. Engstirnig, starrsinnig, apodiktisch, gefühlsarm. Wie der Professor Stoner in John Williams´ Erfolgsbuch „Stoner“ (ein sich mir nicht erschließender Erfolg) ist Ragnar von enormer Rationalität bei gleichzeitiger emotionaler Schmalspurigkeit gezeichnet. Wie Stoner lebt auch er ein ereignisloses Leben, richtet sich in der von ihm geschaffenen Trostlosigkeit in Cordhosen ein und schürt seine Angst vor Veränderungen. Anders als bei Stoner müssen bei Ragnar weitere Personen leiden, seine Kinder und seine Frau nämlich, denen es nicht gelingt, sich von dem Egomanen zu lösen. • Langweilen, weil es unendlich öde ist, über einen Menschen, der mehr Regeln kennt als Gefühle, zu lesen. • Überraschen, weil es schlicht erstaunlich ist, dass eine Autorin Lebenszeit dafür gibt, über einen in jeder Hinsicht eindimensional agierenden Mann zu schreiben, der noch dazu für andere eine Zumutung ist. Zwar erzählt Andersson von Ragnar vor dem Hintergrund ihrer Gedanken und Einordnungen zu Schweden, seiner sozialen Utopie und der Realität, aber auch dieses Moment ist nicht so stark, als dass es viel könnte. Als dass es was bewegen würde oder einen ins Nachdenken brächte. Was hat das mit mir zu tun? Mich hat das Buch interessiert, weil es aus Schweden kommt. Ich lese viel deutsche Literatur und Bücher aus dem englischsprachigen Raum, auch mal etwas aus Frankreich oder Asien, aber aus diesem skandinavischen Land, das mir als Jugendliche so nah und ideal vorkam, lese ich selten etwas. Die Autorin Lena Andersson ist im Fluxx-Alter, eine der wichtigsten Autorinnen des Landes, ihre Bücher sind Bestseller, für „Der gewöhnliche Mensch“ wurde Humor versprochen. Außerdem hat Antje Rávik Strubel das Buch übersetzt. Da wundere ich mich, was die zuletzt mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnete Schriftstellerin so alles kann, nämlich auch Schwedisch sprechen, und denke, das lese ich doch mal! Warum dieses Buch ein Rätsel bleibt Wie gesagt, ich verstehe nicht, dass die Autorin Zeit, Energie und Hingabe an so etwas Ödes verschwendet. Was interessiert sie an der Figur? Warum arbeitet sie sich an so einem blöden Mann ab? Und warum sollte das gut sein? Wieso findet ein Verlag wie Luchterhand das der Übersetzung wert? Und vor allem: Wo ist der „herrlich abergründige Witz“, den der Verlag verspricht. Ich gebe zu, an drei Stellen wusste ich: Hier ist ein Krümelchen gelandet. Wo aber ist der Rest Schwedenhumor, der versprochen wurde? Ich glaube, die treffendste Lösung des Rätsels ist die Erkenntnis, dass der Kaiser nackt ist. Es ist schlicht ein Buch, von dem behauptet wird, es sei ein gutes, weil man das bei einer renommierten Autorin so macht und Unverständnis und Zweifel in den Sphären des Literaturbetriebes als Zeichen deklariert werden, es mit einer wahren Künstlerin zu tun zu haben, die schlauer ist als ihr Publikum.

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