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Fina

Posted on 30.12.2022

Gestaltung: LYX Bücher in ihrem pastelligen Kleid sehen meistens sehr hübsch aus, aber bei den Büchern von Kacen Callender hat der Verlag nochmal eine Schippe draufgelegt. Nicht nur, dass beide erschienenen Bücher Hardcover sind, unter dem haptisch sehr schönen Papier-Schutzumschlag verbirgt sich auch noch ein wunderbares Bild. Die Illustrationen sind sehr geschmackvoll und passen äußerst gut zu der Geschichte. Ich finde es sehr gut, dass der Verlag hier optisch etwas von den sonstigen Büchern im Verlagsprogramms abweicht, denn die Bücher sind auch inhaltlich etwas anders. Darum geht's: Lark Winters ist leidenschaftlich in dem, was dey tut. Ob es das Schreiben eines Jugendromans ist, oder das Führen eines beliebten Twitter-Accounts. Doch dey plagen auch viele Zweifel. Reicht das, was dey tut, aus, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen? Was genau hat es mit der Liebe auf sich? Als ein Twitter-Post auf Larks Account auftaucht, in dem dey jemandem seine heimliche Liebe gesteht, gerät dey in ein moralisches Dilemma und hinterfragt sich und deren Weltsicht... Idee/ Umsetzung: "Felix ever after" hat mir deshalb so sehr gefallen, weil Kacen Callender dort Felix' eigenen Selbstfindungsprozess beschrieben hat, was Identität, Liebe und Persönlichkeit angeht. Ich wurde dort mitgenommen auf diese Reise und konnte gemeinsam mit Felix diese neue Sicht auf (Geschlechts)Identität, neue Begrifflichkeiten und Gedankengänge entdecken. Bei "How do I tell them I love them?" handelt es sich in meinen Augen eher um Lektüre für Leser*innen, die sich mit den Themen Queerness und Transidentität schon verstärkt auseinandergesetzt haben. Ich finde diese Themen interessant und möchte gerne Own Voice-Bücher dazu lesen, um diese Perspektive auf unsere Gesellschaft als nicht betroffene Person besser verstehen zu können. Dieses Buch hat mir teilweise neue Eindrücke vermittelt, aber mich in vielen Punkten auch sehr gefordert und teilweise überfordert. Schreibstil: Bereits in Sprache und Stil hat mich dieses Buch schon sehr gefordert. Mit dem Gender* in Büchern wurde ich schon mehrfach konfrontiert, sodass mich das nicht weiter irritiert hat. Was meinen Lesefluss doch stärker beeinträchtigt hat als gedacht, waren die Pronomen der Figuren. Vorne im Buch ist erklärt, weshalb sich der Verlag für dey/demm statt they/them entschieden hat. Ich war etwas erstaunt, dass kein*e Übersetzer*in bei diesem Buch angegeben war, denn dieses Buch zu übersetzen war sicherlich nicht einfach. Mit der Zeit habe ich mich an diese Erzählweise gewöhnt. Leser*innen sollten sich darauf einstellen, dass der Großteil der Figuren Neo-Pronomen benutzt, sodass sich dies durch das gesamte Buch zieht. Das habe ich bei "Felix ever after" nicht so stark in Erinnerung, was aber auch daran liegen könnte, dass ich dieses Buch damals größtenteils als Hörbuch gehört habe. Handlung: Die Geschichte ist sehr gehaltvoll und schneidet unterschiedlichste Themen an. Unsere*r Protagonist*in Lark ist non-binär und Schwarz, weshalb die Themen (sexuelle) Identität und Rassismus immer wieder aufgegriffen werden. Zudem werden psychische Diagnosen wie ADHS und Autismus vermutet, was hier als neurodivers bezeichnet wird. Das Thema Liebe schaut sich Kacen Callender durch Larks Augen auf sehr spezielle Art und Weise an, die ich so noch nicht kannte: Lark liebt alle Menschen und glaubt an das Gute in allen Menschen, sodass dey prinzipiell jeden liebt. Verliebtheit ist in der Folge eine Facette davon. Auch Polyamorie und der Wert einer Partnerschaft werden diskutiert. Das alles sind wichtige, aber auch riesige Themen, die mich in dieser Fülle etwas erschlagen haben. Ich hätte mir gewünscht, dass Kacen Callender hier den Fokus etwas enger wählt, und einige Themen für weitere Bücher aufspart. In meinen Augen sollte der Fokus hier auf Lark, deren Identität und Selbstfindung liegen. Charaktere: Die Figuren sind sehr spannend, weil sie ganz anders sind als die meisten Charaktere von Young und New Adult Romanen. Lark steht hier mit deren Gefühlen und Gedanken sehr im Fokus, und das nicht immer auf sympathische Art und Weise. Dey hinterfragt sich selbst und wird auch von anderen kritisiert. In Zusammenhang mit demm fallen Begriffe wie Narzissmus und toxisches Verhalten. Dey erfährt sowohl Kritik auf Twitter, als auch von Mitschüler*innen. Obwohl Lark hier grau dargestellt wird und sich im Laufe der Geschichte weiterentwickelt, habe ich zu demm keine wirkliche Nähe aufbauen können. Ich vermute, dass es auch daran liegen könnte, das ich einer vollkommen anderen Lebensrealität entstamme. Einige Gedankengänge konnte ich nicht teilen, Verhaltensweisen waren für mich nicht immer nachvollziehbar. In einigen Belangen waren mir die Figuren für 17-jährige zu erwachsen, z. B. beim Konsum von Drogen, andere Verhaltensweisen und Entscheidungen kamen mir sehr kindlich vor. Dadurch, dass Lark manchmal Personen die Liebe Gestand, obwohl dey diese so gut wie gar nicht kannte, habe ich die vermeintlichen Gefühle nicht wirklich gespürt. Leider auch nicht zwischen Lark und Kasim, deren Freundschaft sich durch das gesamte Buch zieht. Sabel und Asha fand ich interessant und mochte sie gerne, weil sie sehr authentisch waren. Mit allen anderen wurde ich leider bis zum Schluss nicht wirklich warm. Aspekte, die mir gut gefallen haben, waren die fiktionale Figur Birdie, die ab und an mit Lark spricht, und die E-Mails zu Larks Manuskript. Generell mochte ich die Tatsache, dass Lark deren Gefühle und Gedanken in einem Buch niederschreibt. Hier hätte ich gerne noch mehr Ausschnitte aus dem Manuskript gelesen, um die Parallelen zwischen Birdie und Lark nachzuvollziehen. Ebenfalls mochte ich es, dass Kacen Callender sich mit Online-Diskriminierung und Cancel-Culture auseinandergesetzt hat. Dies geschieht hier durch abgedruckte Twitter-Posts von Lark und darauffolgende Kommentare und Tweets. Über Verantwortung und Rechenschaft für Aussagen und Meinungen wird hier on- und offline viel diskutiert. Ende: Das Ende war mir persönlich ein bisschen zu rosarot, aber ich habe mich auch gefreut, dass Lark trotz aller Widrigkeiten ein Happy End bekommt. Es gehen die meisten Romances positiv und kitschig zu Ende, warum sollte es hier anders sein? Fazit: "How do I tell them I love them" hat mich sehr gefordert. Als nicht betroffene Leserin von Transidentität und Rassismus habe ich mir gewünscht, mehr Einblicke in die Lebensrealitäten von Betroffenen zu bekommen. Das ist Kacen Callender teilweise gelungen, allerdings hat mich die Fülle an Themen auch überfordert und deswegen am Ende etwas verloren. Leser*innen, die in diese Themen in Romanform eingeführt werden möchten, empfehle ich "Felix ever after", wo der Einstieg deutlich leichter fällt. Diesen Folgeroman würde ich eher Personen empfehlen, die sich mit den Themen bereits auskennen und gerne einen Roman lesen möchten, in dem eine hohe Repräsentation von queeren Charakteren herrscht.

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