Yvonne Franke
Am 16. Februar nächsten Jahres erscheint der zweite Teil der Roman-Trilogie mit dem Untertitel "Biographie einer Frau" von Julia Schoch. Das heißt, jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt in den ersten Teil "Das Vorkommnis" einzutauchen und dann noch ein paar Wochen in wohliger Spannung auf den zweiten zu verharren. Julia Schoch wurde in der Vergangenheit mit vielen großen Autor'innen verglichen, Christa Wolf zum Beispiel oder, aufgrund der chronistischen Anmutung ihrer Romane mit Annie Ernaux. Mir fiel während ich "Das Vorkommnis" las, immer wieder Max Frisch ein – Schochs präzise Beschreibungen emotionaler Entwicklungsprozesse und den subtilen Spannungsaufbau konnte ich als Gründe für diese Assoziation entlarven. Aber vielleicht macht Julia Schochs Erzählkunst auch einfach sofort eine so persönliche Verbindung auf, dass man automatisch überlegt, wann im eigenen Leseleben man sich zuallererst so verstanden gefühlt hat. Und dass es groß ist, was man da in Händen hält, wird ebenfalls schnell deutlich. "Das Vorkommnis" erzählt die Geschichte einer Autorin, die während einer Lesereise überraschend von einer angeblichen Halbschwester aufgesucht wird. Daraufhin geraten für sie alle gefühlten, und für die eigene Verortung notwendigen, Strukturen ins Wanken. Den festen Standbeinen der Familie ist plötzlich ein störendes Element hinzugefügt, neue Fragen stellen sich. Wenn man sich nicht einmal mehr in der eigenen Familie auskennt, wem kann man dann noch vertrauen? Wenn der eigene Vater Geheimnisse über so lange Zeit bewahren konnte, sollte man sich vielleicht den Ehemann auch nochmal genauer ansehen? Diese inneren Prozesse mitzuverfolgen, erzeugt eine fast kriminalistische Spannung, und eben auch eine Neugier auf diese Frauenfigur – und damit die versprochene Vorfreude auf den zweiten Teil, der übrigens den Titel "Das Liebespaar des Jahrhunderts" tragen wird. Ich hüpfe schon von einem Bein aufs andere.