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Matzbach

Posted on 19.12.2022

Immer wieder erstaunt ist man, wenn man liest, wie schnell es den Nazis gelang, die Demokratie zu beseitigen und die deutsche Kultur auf den Hund zu bringen. Wittstock beschreibt in seiner Studie den kurzen Zeitraum vom 28.1.1933 bis zum 15.3.1923. Fast hat man den Eindruck, als traf die Machtübergabe an die Nazis die Kulturschaffenden überraschend, so fallen auch die Reaktionen völlig unterschiedlich aus. Einige wie Brecht erkannten sofort, dass es um das eigene Überleben ging und verließen das Land, andere gaben sich der Illusion hin, dass das alles nur ein vorübergehender Spuk sei und blieben aus vermeintlichem Pflichtgefühl gegenüber ihrem Vatrland (vorerst) im Land, Erich Kästner sogar für die gesamte Dauer des Dritten Reiches. Und natürlich gab es die Konjunkturritter und Überzeugungstäter, die jetzt ihre Zeit gekommen sahen und nach den Posten strebten, so wurde die preußische Akademie der Künste fast widerstandslos gleichgeschaltet, langjährige und verdiente Mitglieder wie Heinrich Mann ausgeschlossen. Uwe Wittstock beschreibt diesen atemberaubenden Zeitraum aus der sicht prominenter und weniger prominenter Zeitgenossen wie den Angehörigen der Familie Mann, Alfred Döblin oder Else Lasker-Schüler. Der Aderlass der deutschen Kultur, nicht nur im Bereich der Literatur, war immens, man mag kaum spekulieren, was gewesen wäre, wenn die sogenannte "Machtergreifung" nie stattgefunden hätte. Zurück blieb die völlig substanzlose und widerliche Blut und Boden Literatur, die zu recht vergessen ist. Man denke aber auch an zahlreiche Literaten, die kurz vor ihrem Durchbruch standen, der durch das erzwungene Exil verhindert wurde. Unterbrochen wird die darstellung regelmäßig durch die Schilderung brutaler Gewalt, mit der die SA-Schergen die Machtübernahme durchsetzten und der nicht minder brutalen gegengewalt der Kommunisten, die irgendwie auch diesen kurzen Zeitraum kennzeichnete.

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