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mabuerele

Posted on 12.12.2022

„...“Papa und du habt so viel für mich getan, ich besitze mehr als jedes Kind. Ich bin behütet und gebildet aufgewachsen, um was hätte ich noch bitten können?“ „Um eine Zukunft.“...“ Es ist das letzte Gespräch, dass Hanan mit ihrer Tochter Nimra führt. Wenige Stunden später ist Hanan tot und lässt die Kaufmannstochter Nimra als Waise zurück. Die Autorin hat ein fesselndes und berührendes Märchen geschrieben. Die Geschichte lässt sich gut lesen. Der Schriftstil passt sich dem Genre an. Es sind zwei Jahre vergangen. Von Nimras Besitz ist nicht mehr viel übrig. Sie verkauft auf dem Souk sorgfältig geschnitzte Seifenstücke und kann sich damit mehr schlecht als recht über Wasser halten. Als sie von Banditen belästigt wird, kommt ihr Hauptmann Riad zur Hilfe. Am nächsten Tag bringt er sie in den Palast, wo sie sich als Zofe bewerben soll. Sehr schön werden ihre Eindrücke wiedergegeben. „...Vor ihr lagen die saubersten Wege aus weißem Marmor, die sie je gesehen hatte. Keine staubigen Straßen. Dafür funkelten von allen Wegen her gefärbte Glasscheiben...“ Nimra wird der Dienerschaft des Prinzen Djamir zugeteilt. Der ist für seine Unbeherrschtheit berüchtigt. Als er zu seinem Geburtstag zwar mit Geschenken überschüttet wird, aber kein einziger Gast erscheint, sieht Nimra die Trauer in seinen Augen. Aus Mitleid zieht sie sich ihr einziges wertvolles Kleid an und erscheint darin zur Geburtstagsfeier. Sie weiß, dass ihr Verhalten lebensgefährlich ist. Schon zuvor war ihr das eine oder andere über den Prinzen zu Ohren gekommen. „...Einem Kind sollte man seine Fehler nicht unbedingt durchgehen lassen, es aber ermutigen, aus ihnen zu lernen. Das steht einem Königssohn mit einem unbarmherzigen Vater nicht zu...“ Erst nach und nach erfahre ich, was in Djamirs Kindheit schief gelaufen ist. Auch jetzt noch hält sein Vater, der Kalif, die Zügel straff und demütigt den jungen Mann bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit. „...Ich habe die Hoffnung nicht verloren, einen Enkel zu bekommen, der ein besserer Nachfolger wäre, als mein Sohn es ist, sonst treiben wir dieses Reich in den Ruin...“ Nimras Doppelleben ist nicht einfach. Einerseits muss sie ihren Pflichten als Zofe nachkommen, anderseits will Djamir mit ihr, der angeblichen Adelstochter, Zeit verbringen. Dabei versucht sie, ihn auf die Not seines Volkes aufmerksam zu machen. Sie appelliert an seine Menschlichkeit und sein Mitgefühl. Wird sie zu ihm durchdringen? Die Geschichte verfügt über einen hohen Spannungsbogen. Der ergibt sich nicht nur aus der Tatsache, dass Nimra in jedem Moment auffliegen kann, sondern auch aus den inneren Kämpfen der Protagonisten. Bald ist es nicht mehr Mitleid, dass Nimras Handeln bestimmt. Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeigt, wie schwierig es ist, sich aus de Spirale familiärer Gewalt zu lösen.

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