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Es ist schon seltsam, wenn die gleich Publikation gedruckt als „Roman“ und in Hörbuch-Form als „Thriller“ angeboten wird. Um das vorweg zu beantworten: „Roman“ trifft die Sache besser. Es steckt viel Realitätsbezug in diesem Klima-Roman: politisch, ökologisch und wissenschaftlich. Der Autor hat aktuelle Entwicklungen ein paar Jahre weitergedacht und die Handlung auf die Jahre 2027/2028 verlegt. Das ist nah genug, um enge Bezüge zur Gegenwart zu schaffen, und weit genug entfernt, um ein wenig „dichterische Freiheit“ zu entfalten. Von beidem macht von TSCHISCHWITZ souverän gebrauch. Insgesamt gibt es wenig „Schnick-Schnack“: So ziemlich alles dreht sich um das Klima – die heranziehende Katastrophe und mögliche Lösungen. Man fragt sich als Leser/in zwischendurch, ob der kleine Rest-Anteil von „Sex and Crime“ wirklich notwendig war… Es geht im Buch zentral um zwei Aspekte der Klima-Diskussion, die geradezu perfekt in die aktuelle Tagespolitik (Herbst 2022) passen: – Wie radikal muss der Protest und Kampf gegen die Verschleppung der notwendigen Rettungsmaßnahmen sein? Ist eine Lösung innerhalb des (ökonomischen) Systems oder nur durch Fundamental-Opposition möglich? – Können die demokratischen Systeme die notwendige Entschlossenheit und Dynamik entfalten oder müssen wir eher auf solche Staaten hoffen, die langfristige Perspektiven mit autokratischer Härte durchzusetzen im Stande sind? Das erste Thema wird exemplarisch in die Beziehung zweier Frauen eingewebt: Die junge Aktivistin Tessa und die Klima-Fonds-Managerin Shannon freunden sich an (um es mal neutral auszudrücken) und leben den Spannungsbogen zwischen ihren beiden Welten in einer komplizierten Beziehung aus. Dieser Plot erlaubt es dem Autor, immer wieder die beiden Sichtweisen gegeneinander antreten zu lassen. Das zweite Thema ist China! Der Autor schafft ein Szenario, in dem so ziemlich alle Facetten des Phänomens einen Platz bekommen: die langfristigen Strategien, die Kaltblütigkeit des Vorgehens, die technische Entwicklung, die politische Machtkonzentration, die Mentalität („Gemeinschaft vor Individualismus“), die ökonomische Macht, die philosophische Tradition. Um diese – schon ziemlich virulente – Konstellation noch ein wenig anzuköcheln, kommt noch ein spektakulärer Quanten-Computer ins Spiel, der das Zeug hat, weit über bisherige Klimamodelle hinauszurechnen. Man ahnt schon, was dabei herauskommt; aber es gibt ja die schlauen und weitsichtigen Chinesen… Es ist ein lesenswerter (hörenswerter) Roman entstanden – sehr nah am realen Geschehen. Auch wenn am Anfang Verbrechen passieren (die dann eine erstaunlich geringe Rolle spielen), auch wenn es erotisch ordentlich knistert – die Stärke des Romans liegt in der stellenweise recht tiefgründigen Auseinandersetzung mit den o.g. Themen. Wer nur eine unterhaltsame und/oder spannende Unterhaltung sucht, sollte sich einem anderen Buch zuwenden – es könnte sonst gut sein, dass er/sie sich an dem Dauerthema „Klimawandel“ verschluckt. Wenn aber jemand auf der Suche nach einer niveauvollen Klima-Story ist, dann kann beherzt zugegriffen werden. Zwischendurch kann man sich schon fast wie ein/e Sachbuchleser/in fühlen – was der Autor mit dem Glossar am Ende nochmal wirkungsvoll unterstreicht.