kingofmusic
Das Leben der Sami „„Ich besitze dich nicht. Du gehörst dir selbst. Du bist mir nur geliehen.“ Die Rentiere waren Biekka Oapmi, Eigentum des Windes. Als sie klein war, hatte Áddjá ihr das genau erklärt.“ (S. 350) Das obige Zitat war eins, was sich mir nachhaltig eingeprägt hat und zeigt meiner Meinung nach, mit welcher Ehrfurcht die Autorin Ann-Helén Laestadius in ihrem Roman „Das Leuchten der Rentiere“ (erschienen im Hoffmann und Campe Verlag in der Übersetzung von Maike Barth und Dagmar Mißfeldt) u. a. über die Arbeit mit Rentieren erzählt. Wer jetzt einen romantischen Seelenwärmer-Roman aus dem hohen Norden erwartet, sollte die Hände von diesem Buch lassen. Vielmehr geht es der bereits mehrfach ausgezeichneten schwedischen Autorin mit samischen Wurzeln darum, auf ein Problem aufmerksam zu machen: die sinnlose Abschlachtung von Rentieren und der damit verbundenen rassistischen Behandlung der Sami. Die neunjährige Elsa überrascht den Mörder ihres geliebten Rentiers Nástegallu. Da er eindeutige Zeichen macht, sie zu töten, wenn sie ihn verrät, flüchtet sie sich in ihre Angst und schweigt. Erst Jahre später traut sie sich, etwas gegen den Mörder zu unternehmen… Ann-Helén Laestadius konnte bei der Arbeit an diesem teils auf realen Geschehnissen basierenden Roman auf hundert Strafanzeigen wegen Mordes an Rentieren zurückgreifen. Sie alle haben eins gemeinsam: aus „Mangel an Beweisen“ wurden alle umgewandelt in „Diebstahl“ und entsprechend eingestellt. Diese „Praxis“ begleitet die Rentierhalter im hohen Norden Schwedens schon lange. Doch es regt sich mehr und mehr Widerstand. Auch kritisiert die Autorin die Arbeit der Polizei in ihrem Roman, die immer wieder Ausreden parat hat, um nicht oder nur sehr langsam zum Tatort zu kommen. Außerdem kommt der allgegenwärtige Rassismus gegenüber den Sami zur Sprache – erschütternd… Die zum Teil detaillierte Beschreibung der Abschlachtung von Rentieren ist schon harter Tobak für das Gemüt des Lesers, aber um aufmerksam zu machen, muss man die Realität schon mal (schonungslos) darstellen – und das ist der Autorin eindrucksvoll gelungen. Das Buch hat mich nicht von Anfang an gepackt; es braucht etwas, um „richtig“ in Schwung zu kommen. Dabei kann ich gar nicht mal genau eruieren, woran es letztlich gelegen hat. Vielleicht an der teils holprigen Übersetzung? Aber wer bin ich, dass ich die Arbeit der Übersetzerinnen kritisiere – ich kann ja noch nicht mal selber einen Text übersetzen *g*. In einem kurzen Glossar am Ende werden wichtige Begriffe aus dem Samischen erläutert; vieles wird aber auch im Text schon erklärt. Was bleibt nach der Lektüre? Eine Leseempfehlung für alle, die etwas über die Arbeit und das Leben der Sami, ihre Probleme, ihre Kultur etc. wissen wollen. 4 sehr gute Sterne! ©kingofmusic