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Buchdoktor

Posted on 1.11.2022

Der pensionierte Kommissar Konráð ist in Reykjaviks Schattenviertel in schwierigen Verhältnissen aufgewachsen. Sein Vater lebte als Kleinkrimineller von Betrügereien, prügelte Frau und Sohn und übte gegenüber Konráðs Schwester sexuelle Gewalt aus. Obwohl der Ex-Ermittler neuerdings keine Insider-Informationen mehr aus den Reihen der Kripo erhält, verbeißt er sich noch immer in den ungeklärten Mord an seinem Vater in den 60ern. Ein Motiv, „Seppi“ zu ermorden, hätten damals viele seiner Opfer gehabt. Pálmi, der damalige Ermittler, dringt darauf, dass Konráð den Fall seines Vaters endlich ruhen lassen soll, kann jedoch nicht ahnen, welche Motive seinen Ex-Kollegen inzwischen antreiben. Als in der Gegenwart im Keller eines älteren Hauses ein menschliches Skelett gefunden wird, vermutet Konráð Verbindungen zwischen einer kleinen Einbrechergruppe, die damals aktiv war, einem Einbruchsopfer, das den Einbruch in seinem Haus unbedingt geheim halten wollte, und der Clique seines Vaters. Reykjavik ähnelte in den 60ern noch einer Kleinstadt unter amerikanischer Besetzung, in der sich die Wege der Beteiligten mehrfach kreuzten. So ist Konráð heute mit der „Geisterjägerin“ Eygló befreundet, weil die Väter der beiden damals gemeinsam gutgläubige Opfer in spiritistischen Sitzungen abzockten. Eygló kennt den Fundort des Skeletts nur zu gut. Konráð zeigt schon seit der historischen Flóvent-Thorson-Reihe sein Händchen dafür, Zeugen zum Reden zu bringen. Er ermittelt im 4. Band der Serie ausgesprochen rücksichtslos, weil er unbedingt sein gegenüber dem erwachsenen Sohn lädiertes Ansehen wiederherstellen will. Seine stets spannenden Ermittlungen schlagen einige Haken und führen Indriðasons Leser dabei auf falsche Fährten. Die Atmosphäre eines Jahrzehnts, in dem so mancher Gewalt gegen Frauen und Kinder für eine Privatangelegenheit hielt, die sowieso niemand ernstnehmen würde, zeichnet Indriðason überzeugend; gemeinsam mit Konráðs persönlicher Verfassung hinterlässt der Fall einen höchst düsteren Eindruck.

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