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anni_anushka

Posted on 1.11.2022

Rührige Kleinstadtgeschichte zum Wohlfühlen, aber mit zu stark vermenschlichtem Oktopus Tova Sullivan müsste nicht im Aquarium von Sowell Bay putzen. Sie ist 70 Jahre alt und finanziell gut abgesichert. Sie braucht jedoch etwas zu tun, denn nach dem Tod ihres Mannes vor einigen Jahren und dem Verschwinden ihres Sohnes vor 30 Jahren hat sie nun keine Familie mehr. Marcellus erkennt die Zusammenhänge und muss versuchen, sie Tova verständlich zu machen, bevor es zu spät ist. Und dann ist da noch der erfolglose Musiker Cameron, der Sowell Bay gehörig aufmischt. Ich bin mit sehr anderen Erwartungen an diese Geschichte gegangen. Da sowohl Klappentext als auch Cover sehr viel Fokus auf den Kraken (bzw. Oktopus) legen, hatte ich mir einen deutlich stärkeren Naturbezug erhofft oder zumindest, dass man so einiges über Kraken erfährt. Jedoch erfährt man nicht mehr, als auf jeder Aquariumstafel draufsteht. Stattdessen dient Marcellus als Projektionsfläche, stellt einfach eine weitere Figur der Geschichte dar. Er erzählt in der Ich-Form und sinniert über allerlei Merkwürdigkeiten der Menschen. Ich hätte es deutlich besser gefunden, wenn seine Szenen auch aus der Dritte-Person-Perspektive erzählt worden wäre. Zwischenzeitlich erzählt er konstruiert naiv, nur um im nächsten Satz alle möglichen abstrakten menschlichen Konzepte zu verwenden. Insgesamt ist er aber eine liebenswerte Figur. So wie eigentlich alle Charaktere der Geschichte liebenswürdig sind. Allerdings soll Cameron 30 Jahre alt, dieses Alter nimmt man ihm in der Geschichte jedoch nicht ab, da er sich immer wieder wie ein quengelnder Teenager benimmt. Darüber könnte man hinwegsehen im Kontext der Geschichte, wenn man nur die Handlung betrachtet. Wenn man sich dann jedoch zurückerinnert, dass er ein erwachsener Mann sein soll, war das schon immer mal wieder irritierend. Kleinstadtgeschichten sind nicht wirklich mein Genre und ich hatte tatsächlich mehr auf den Handlungsstrang um den Oktopus gesetzt. Außerdem waren die Wendungen allesamt vorhersehbar und das Schema der Geschichte auch altbekannt. Alles in allem ist die Geschichte aber dennoch eine nette, rührige Wohlfühlgeschichte mit eigensinnigen und besonderen Charakteren und dem gerade richtigen Wohlfühlfaktor für dunkle, nasse Herbsttage.

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