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Palaisfluxx

Posted on 1.11.2022

Worum geht es? Susanne Matthiessen ist auf Sylt aufgewachsen, als Tochter eines Pelzhändlers. Nach dem Erstling über die Sylter Kindheit geht es in diesem Buch in die 80er Jahre auf der Lieblingsinsel vieler Deutscher. Anhand der Geschichten von Freundinnen und Familie erfahren wir viel über die Sicht der Sylter auf Tourismus, Ausverkauf der Insel und das bunte Treiben, das wir in Ferientagen nur an der Oberfläche wahrnehmen. Robbensterben, Algenpest, Sturmflut und Punkertreffen waren hier nicht nur eine Schlagzeile in der Tageszeitung. Was stellt eine Pandemie mit einer Nordseeinsel an? Wie verändern sich Gewohnheiten und Menschen durch die Abwesenheit von Touristen? Wie fühlt sich das an, wenn man ohne die Arbeit mit den Urlaubern ganz und gar auf sich zurückgeworfen wird und die sonst so volle Insel plötzlich wieder ein Dorf ist? Wie die aktuelle Pandemie-Krise im Vergleich zu denen in den Achtzigern sich anfühlt und was sie verändert und anschiebt, ist Thema. Was kann das Buch und was hat es mit mir zu tun? Ich bin selbst direkt an der Küste aufgewachsen, in der Zeit von Susannes Kindheit war ich oft auf „der Insel“. Der Strand von Westerland war nachmittägliches Ausflugsziel, die umschwärmten Jungs wurden nach Strandkorbnummern sortiert, damals gab es noch Ferienwohnungen in umgebauten Garagen. Ich kann mich an die Stimmung gut erinnern. Und auch an Dinge wie „Kullerpfirsich“ und die Punks in Westerland. Wer hier zu dieser Zeit ein Stück Land oder ein altes Haus gekauft hat, kann sich heute nach dem Verkauf desselben zur Ruhe setzen. In diesem Buch geht es unter anderem darum, was passiert, wenn eine schöne Insel den Einheimischen nach und nach entrissen wird, auch durch eigenes Zutun. Susanne Matthiessen schildert anhand eigener Erlebnisse den Werdegang von Sylt, lässt auch nicht die unschönen Dinge aus, die unkommentiert passiert sind, während alle damit beschäftigt waren, an den Urlaubern Geld zu verdienen. Ein Buch, das sehr gut erspüren lässt, wie sich diese Zerrissenheit zwischen Heimatliebe und Sorge um das, was passiert, anfühlt. Was ist das Besondere daran? Der sorgenvolle und zugleich von tiefer Heimatliebe geprägte Blick auf dieses kleine Stück Land in der Nordsee. Susanne Matthiessen ist als geborene Sylterin nah dran, hat aber dennoch als Journalistin genügend Abstand, um kritisch auf einige Entwicklungen zu blicken. Ereignisse der 80er Jahre bekommen durch einen persönlichen Bezug eine größere Nähe. Dabei ist der Sound ihrer Erzählungen klar und warm, manchmal lustig, und mitunter stößt ein Gedanke etwas an, das einem noch Stunden durch den Kopf geht. Absolute Empfehlung vor allem für die, die sich in Sylt verknallt haben. Warum ist die Autorin interessant? „Ozelot und Friesennerz“, das Debüt der Journalistin Susanne Matthiessen, wurde zum Bestseller und soll von Doris Dörrie verfilmt werden. Eigentlich sollte es gar kein zweites Buch geben, aber da waren noch so viele Geschichten, zum Glück für uns. Eine Rezension von Anja Goerz

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